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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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schlägt. Langsam. Irgendwie fast zu langsam, oder?
    Komisch, denke ich, irgendwie ist mir so komisch.
    Bum.
    Und dann hört mein Herz einfach auf zu schlagen. Schade eigentlich. Hoffentlich finden sie einen Grabstein, auf den mein Name draufpasst.
    Ich falle tot vom Stuhl.
    Und das Letzte, was ich denke, ist: Halt bloß die Knie zusammen, Marie, das sieht sonst scheiße aus im Fernsehen!

«Betrogene Männer haben gemeinhin ja nur wenig Sinn für Humor»

    Ich fürchte, ich falle gleich tot um. Vor unterdrücktem Lachen.
    Erdal sitzt neben mir und atmet gerade ganz tief in seine Gebärmutter hinein.
    Er trägt einen pinkfarbenen Trainingsanzug, seine kurzen Pummelbeinchen hat er zu einer Art Yogi-Schneidersitz verknotet. Seine Augen sind geschlossen.
    Leonie und Erdal hatten mich gezwungen, zum Schwangerschaftsyoga mitzukommen. «Nach dem, was gestern im Fernsehstudio passiert ist», hatte Leonie gesagt, «werden dir sanfte und kreislaufschonende Bewegungen guttun.»
    Das Blöde am Fernsehen ist ja, dass Leute dabei zuschauen. Und zwar immer mehr, als man denkt. Und in diesem speziellen Fall auch noch wesentlich mehr, als man möchte.
    Sogar jetzt, zwischen den ganzen runden Frauen – hier ist es mir tatsächlich peinlich, die Dünnste zu sein, eine völlig neue Erfahrung   –, habe ich den Eindruck, dass mich die eine oder andere wiedererkennt.
    Hat da nicht eben eine heimlich ein Auge geöffnet, um mich damit spöttisch anzuglotzen? Nein, meine Fernsehberühmtheit hatte ich mir wirklich anders vorgestellt.
    «Das versendet sich», hatte Regina gesagt, als ich mit zusammengekniffenenBeinen auf dem Studioboden liegend wieder zu mir gekommen war. Mit Hilfe von Theo Bertram und Hubbi versuchte ich, so elegant wie möglich aufzustehen. Dabei rutschte mir die Packung Betablocker aus der Tasche.
    «Wie viel hast du davon genommen?», fragte Regina.
    «Drei oder vier, glaube ich.»
    «Kein Wunder, dass du umgekippt bist. Das Zeug fährt den Kreislauf so derartig runter wie bei einem Reptil im Winterschlaf.»
    Ich fühlte mich plötzlich wieder schwummerig und sank, ganz ehrlich: ohne Absicht, gegen Theo Bertrams Schulter.
    Erdal, mit dem ich spätabends telefonierte, hatte sich zunächst unheimlich gefreut, weil er davon ausging, dass Frauen grundsätzlich nur dann ohnmächtig werden, wenn sie schwanger sind. «Das ist doch toll für Gloria-Luna, dann wächst sie nicht allein auf!»
    Auf meiner Mailbox waren fünf Nachrichten. Zwei von meiner Mutter, die mich hysterisch fragte, in welches Krankenhaus man mich gebracht hätte, und drei von Conradi, der mich mit Grabesstimme um sofortigen Rückruf bat.
    Zum ersten Mal rief ich nicht sofort zurück. Da es ihm mit Sicherheit nicht um mein Wohlergehen ging, sondern den Schaden, den ich durch meine fahrlässige Ohnmacht seinem Ansehen zugefügt haben könnte, musste das Gespräch warten. Zunächst musste ich die Schmach verarbeiten und meine Gefühle analysieren. Ich glaube nämlich, dass gestern etwas Entsetzliches geschehen ist: Könnte sein, dass ich mich verlieben könnte.
     
    «Spürt euer Baby, schickt ihm positive Energie und spannt euren Beckenboden an.»
    Ich versuche, meinen Beckenboden anzuspannen, aber ich weiß gar nicht genau, wo sich das Ding eigentlich befindet und wozu es gut ist.

    Was ich in meinem Unterleib spüre, sind Mottenkugeln beim Bowling oder Schmetterlinge beim Balztanz. Mein Herz fühlt sich an wie eine gut geschüttelte Mineralwasserflasche kurz vor der Explosion, und ich habe übertrieben gute Laune. Und keinen Hunger.
    Ja, ich fürchte, die Symptome sind eindeutig: frisch verknallt!
    «Visualisiert eure Gebärmutter, nehmt sie in beide Hände und streichelt sie sanft.»
    Ich schiele zu Erdal rüber. Ich habe den Eindruck, dass er viel mehr Kontakt zu seiner Gebärmutter hat als die meisten der zehn werdenden Mütter, die sich zum Schwangeren-Yoga versammelt haben.
    Erdal, das muss man sagen, ist hier einer der engagiertesten Teilnehmer, und nach anfänglichem Zögern hat ihn die ganze Gruppe als eine der Ihren akzeptiert.
    Mich hingegen streifen immer noch argwöhnische Blicke. Eine unschwangere Frau ist in der Schwangerengruppe auf wenig nachvollziehbare Weise weniger willkommen als ein ebenso unschwangerer Schwuler.
    Leonie sitzt zu meiner Rechten und streichelt sich selig lächelnd den Bauch. Auf der Herfahrt meinte sie sogar, sie hätte das Baby gespürt. Erdal hatte sofort beide Hände und sein Ohr auf ihren Bauch gelegt und ein

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