Schwert und Laute
kritischem Blick und wandte sich dann wieder zu mir.
»Behandelt er dich wenigstens gut?«
»Ja, Vater, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mir geht es besser als je zuvor in den letzten zwei Jahren.«
Die Worte blieben mir im Hals stecken, und mein Vater sah fragend zu mir auf.
»Ich glaube, wir haben uns wirklich viel zu erzählen«, seufzte er. »Ich werde den Laden schließen. Carmichael ist noch bis Ende der Woche in Glasgow, und er wird sicherlich nichts dagegen haben, wenn ich ein paar Stunden zumache, um Wiedersehen mit meiner Tochter zu feiern.«
Liam erwartete uns unauffällig im Schatten eines Portals. Donald und Niall waren verschwunden, wahrscheinlich um sich ein dram Whisky schmecken zu lassen und hübsche Schankmädchen zu beäugen. Als ich die beiden vorstellte, musterte mein Vater seinen Schwiegersohn argwöhnisch. Liam blieb völlig gleichmütig und beschränkte sich darauf, Fragen mit »ja, Sir« und »nein, Sir« zu beantworten. Doch nach einiger Zeit trat ein amüsiertes Glitzern in die Augen der beiden Männer, die sich gegenseitig abschätzten. Endlich konnte ich freier atmen.
Die Taverne war überfüllt und die Luft zum Schneiden. Wir hatten uns in eine Nische geflüchtet, wo wir vor neugierigen Blicken sicher waren. Trotzdem huschten Liams Augen ständig durch den Raum, als befürchte er, Soldaten könnten plötzlich auftauchen. Für kurze Zeit hatte ich einen kleinen, profanen Umstand vergessen: Er wurde wegen Mordes gesucht, und für jemanden, der sich auf der Flucht befand, war Edinburgh, der Sitz
der Krone in Schottland, bestimmt nicht der sicherste Ort, um herumzuspazieren oder bei einem Becher Bier zu plaudern.
Das Serviermädchen war gegangen, nachdem sie es nicht versäumt hatte, ihre Rundungen unter Liams Nase zur Schau zu stellen, und ich begann zu erzählen, was ich während der beiden letzten Jahre erlebt hatte, wobei ich bewusst einige Einzelheiten ausließ, von denen ich vermutete, dass sie für einen Vater zu schwer zu verkraften waren.
Schweigend an die Wand gelehnt, lauschte Liam mir. Ich wusste, dass er nervös war, obwohl er äußerlich einen gewissen Gleichmut an den Tag legte. Vater dagegen war nach meinem Bericht niedergeschmettert, denn er fühlte sich schuldig, seine einzige Tochter diesem alten, lüsternen Schwein Dunning zum Fraß vorgeworfen zu haben.
»Ich habe in diesem Moment nicht nachgedacht, Vater... Ich wollte ihn nicht töten, aber er hat mir zu wehgetan, ich musste...«
»Schluss!«, schrie Kenneth Dunn gepeinigt auf. »Ich will gar nicht wissen, was er dir angetan hat, das ist zu schwer...«
Seine Stimme brach, und er versuchte vergeblich, seine Tränen zurückzuhalten. Liam wandte sich ab und erhob sich taktvoll unter dem Vorwand, die Latrine aufzusuchen. Ein Mann mag es nicht, wenn ein anderer Mann ihn weinen sieht.
»Es ist Liam gewesen, der mich aus dieser Hölle befreit hat«, fuhr ich fort und sah in mein Bier, das ich kaum angerührt hatte. »Er konnte aus seiner Zelle entkommen, und dann haben sich auf der Flucht unsere Wege gekreuzt. Er hat mich... mitgenommen, ich wollte nicht in Tolbooth landen und darauf warten, abgeurteilt zu werden... Auf dem Weg nach Glencoe bin ich verletzt worden. Seine Schwester Sàra hat mich bis zu meiner Genesung aufgenommen. Und dann ist eben geschehen, was geschehen musste. Ich liebe ihn, Vater, und er erwidert meine Gefühle.«
»Als man mir die Nachricht brachte, du seiest entführt worden, hatte ich das Gefühl, mir würde das Herz herausgerissen«, sagte mein Vater und trocknete sich die Augen. »Warum hast du nichts gesagt? Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Fast wäre ich nach Dunning Manor gefahren, um dich zu besuchen...«
»Ich habe dir doch geschrieben, Vater! Jeden Monat! Du hast mir nie geantwortet...«
»Aber ich habe nie aufgehört, dir Briefe zu schicken, meine Tochter!«
Er nahm einen großen Schluck Bier und knallte seinen Becher wieder auf den Tisch. Jetzt begriff ich.
»Also... wenn du mir immer wieder geschrieben hast...«
»Lord Dunning.«
»Herrje! Er hat unsere Briefe abgefangen. Er wollte nicht, dass du erfährst...«
»Oh, Caitlin, gütiger Gott! Wirst du mir je verzeihen können?«
Ich nahm seine Hände. Ich liebte die Hände meines Vaters. Sie waren rau und von kleinen Blasen und zahlreichen Schnitten überzogen, aber sie schufen so wunderbare Dinge. Künstlerhände, geschickt, präzise, nach Vollkommenheit strebend. Als Kind hatte ich oft den Gedanken gemocht,
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