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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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nächsten Morgen ritten wir noch einmal ins Dorf, um einige persönliche Gegenstände zu holen, und nahmen Abschied von den Menschen, die uns teuer waren. Donald MacEanruigs und Niall MacColl würden uns auf der Reise begleiten.
    Ich biss die Zähne zusammen, gab Ròs-Muire die Sporen, so dass sie losgaloppierte. Tränen rannen mir übers Gesicht, während wir Carnoch hinter uns ließen, ohne zu wissen, ob wir je wieder zurückkehren würden.

    Nach drei langen, anstrengenden Tagen im Sattel erreichten wir Edinburgh. Wir hatten es vermieden, die Straße zu nehmen, einen Bogen um die Dörfer geschlagen und dem offenen, verlassenen Heideland und den Bergen den Vorzug gegeben. Geschlafen
hatten wir in der feuchten Heide, und gegessen, was wir eben fanden.
    Liam war die ganze Zeit über schweigsam und angespannt gewesen. Donald dagegen gab den Narren und führte angeberische Reden, um mich aufzuheitern, was ihm gelegentlich auch gelang. Ich begann sogar, einige gute Seiten an ihm zu schätzen. Niall MacColl dagegen kannte ich nicht wirklich gut, ich hatte ihn nur bei einigen Gelegenheiten zusammen mit Liam gesehen. In Carnoch gehörte er zu denjenigen, die über die Ereignisse in Dunning Manor Bescheid wussten. Der junge Mann von zweiundzwanzig Jahren, der wie ein ungehobelter Klotz aussah und eine Zottelmähne hatte, war äußerst redselig. Er war zwar kleiner als Liam oder Donald, aber dennoch stämmig und stark wie ein Stier. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er in der Lage war, jeden Feind mit Leichtigkeit in Schach zu halten.
    Ich befand mich also in sehr guter Gesellschaft, als wir bei Einbruch der Nacht in die von Menschen wimmelnde Stadt einritten. Durch das Labyrinth von Straßen und Gassen kamen wir zu einer Taverne, wo wir uns mit Würsten, eingelegtem Hering und Bier stärkten, um dann die Nacht in schäbigen, von Ungeziefer befallenen Zimmern zu verbringen.

    Früh am nächsten Morgen begannen wir mit der Suche nach dem Laden, in dem mein Vater arbeitete. Wir arbeiteten uns die Cowgate Street hinunter und die Royal Mile hinauf, um die Goldschmiedewerkstatt schließlich am Lawn Market zu entdecken.
    Zwei Jahre waren seit jenem düsteren Morgen vergangen, als mein Vater mich ein letztes Mal umarmt hatte, bevor ich in den mit dem Wappen der Dunnings geschmückten Wagen geklettert war. Seit über einem Jahr hatte ich keinen Brief mehr von ihm erhalten. Zu Beginn hatte ich ihm jeden Monat geschrieben, doch als ich keine Antwort mehr bekam, hatte ich beschlossen, die Feder niederzulegen. Heute würde ich ihn wiedersehen, und ich fühlte mich merkwürdig beklommen. Ich war nicht mehr das junge Mädchen, das er in blindem Vertrauen hatte fortgehen lassen. Seitdem war viel geschehen, und ich nahm es ihm übel, dass
er mich den Fängen dieses lüsternen alten Mannes überantwortet hatte. Eine ganze Flut von viel zu lange unterdrückten Gefühlen stieg plötzlich an die Oberfläche, so dass ich wie gelähmt auf der staubigen Straße vor dem Laden stand. Liam spürte meine Unruhe und nahm meine Hand.
    »Soll ich mitkommen?«
    »Nein, es geht schon«, sagte ich wider besseres Wissen. »Sehe ich gut aus?«, fragte ich und strich meinen Rock glatt.
    Ich hatte seit mehreren Tagen in keinen Spiegel mehr geschaut, doch nach dem langen Ritt und durch den Schlafmangel hatte ich wahrscheinlich Ringe unter den Augen. Liam schenkte mir ein zärtliches Lächeln und küsste mich sanft auf die Stirn.
    »Du bist sehr schön, a ghràidh. Möchtest du wirklich nicht, dass ich dich begleite?«
    »Nein, ich glaube, es ist klüger, wenn ich zuerst allein mit meinem Vater spreche. Ich muss ihm alles erklären, und dann komme ich dich holen.«
    Ich trat in den Laden, auf dessen Schild die Aufschrift »Carmichael Fine Goldsmith« prangte. Es dauerte einen Moment, bis meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Ein Geruch nach Staub und verschimmeltem Holz hing in der abgestandenen Luft des Raumes. Einigermaßen erleichtert sah ich, dass mein Vater mit einer Kundin beschäftigt war, so dass ich ihn ein Weilchen beobachten konnte, ehe ich ihn ansprach. Er wirkte älter als in meinen Erinnerungen. Sein Haar, das früher tiefschwarz gewesen war, wurde jetzt von silbrigen Fäden durchzogen, und sein Rücken hatte sich unter der Last der Jahre gebeugt. Als die Kundin sich endlich vom Ladentisch abwandte, um zu gehen, tat ich so, als betrachtete ich eine Skizze, die mit Nadeln an der Wand befestigt war. Mir wurde schwindlig.
    »Kann ich

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