Schwert und Laute
und das blonde Haar im Nacken mit einem schwarzen Samtband zusammengefasst. Außerdem hatte er seinen Rock gegen einen Hausmantel aus Damastsatin ausgetauscht. Man hätte ihn für einen Juristen aus dem Oberhaus halten können.
»Euer Abendessen, Madam«, verkündete er und verneigte sich. »Rupert wird Euch in einer Stunde ein Bad bereiten. Nachdem Ihr bei dieser Hitze gereist seid, werdet Ihr gewiss das Bedürfnis haben, Euch zu erfrischen. Im Schrank findet Ihr saubere Kleidung.«
Er zögerte einen Moment lang und beobachtete mich gelassen, dann tat er einen Schritt auf mich zu.
»Hinaus«, zischte ich zwischen den Zähnen hindurch und starrte ihn aufgebracht an.
Sichtlich getroffen ging er und ließ es sich angelegen sein, hinter sich gut zu verriegeln. Ich stand auf, angelockt von dem Duft, der von Beckys mit Äpfeln gefülltem Fasan aufstieg. Ich musste essen, um nachdenken zu können. Daher stillte ich meinen Hunger und konzentrierte mich auf jeden Bissen. Später, wenn ich ruhiger war, konnte ich über meine Lage nachdenken.
Die Standuhr zeigte zwanzig Minuten vor Mitternacht, als Rupert mit dem letzten Eimer Wasser hinausging. Ich fand eine gewisse Genugtuung darin, ihn die Arbeiten tun zu sehen, die üblicherweise das Zimmermädchen besorgte. Aber Millie durfte nicht erfahren, dass ich hier war, in diesem Punkt hatte Winston sich deutlich ausgedrückt. Die einzigen Besucher, mit denen ich das... Missvergnügen haben würde, würden also Winston oder Rupert sein, je nachdem.
Ich hatte ein sauberes Nachthemd angezogen, das ich in dem großen Schrank, in dem auch einige hübsche Kleider von teurer Machart hingen, gefunden hatte. Meinen Dolch hatte ich unter das Kopfkissen gelegt. Ich hoffte, dass ich ihn nicht benutzen musste, aber mein Zimmer war über eine Geheimtür mit Winstons Räumen verbunden... Im Fall der Fälle konnte ich ihn damit vielleicht abschrecken.
Erschöpft und innerlich völlig leer glitt ich zwischen die Laken und zog sie mir bibbernd bis ans Kinn hoch. Ich war diesem Bastard ausgeliefert und konnte nichts unternehmen, außer zu warten. Wie lange würde es dauern, bis Liam entdeckte, dass ich ihm ungehorsam gewesen war und mein Versprechen gebrochen hatte? Ich hoffte nur, dass er nicht kommen, sondern mich meinem Schicksal überlassen würde. Dass er nicht in die Falle ging.
Ich befand mich in vollständiger Dunkelheit und wusste, dass ich am Rand eines Abgrunds stand. Vor mir, zu meinen Füßen, spürte ich die Leere. Ich schwankte und konnte mich nirgendwo festhalten, denn meine Handgelenke waren gefesselt. Plötzlich,
aus dem Nichts heraus, stieß mich jemand in die Tiefe. Atemlos krallte ich mich in die nass geschwitzten Laken. Mein eigener Schrei hatte mich geweckt.
Grau und freudlos zog der Morgen herauf. Ich wartete, bis mein Herz wieder langsamer schlug, und quälte mich dann aus dem Bett. Ich hatte eine unruhige Nacht verbracht und war immer wieder von schrecklichen Albträumen heimgesucht worden, in denen ich in tiefe Abgründe gestoßen wurde, von gesichtslosen Schatten umgeben war und mein Herz mir zum Zerspringen schlug. Wozu sollte ich jetzt versuchen, noch mal einzuschlafen? Der Tag brach an und machte mir mein Unglück wieder bewusst. Ich war machtlos, aber ich musste mich ihm stellen.
Ich legte meine brennende Wange an eine der Fensterscheiben, um mich zu erfrischen. Die Fensterrahmen waren fest zugenagelt, so dass jeder Fluchtversuch unmöglich war. Und selbst wenn ich das Wagnis eingegangen wäre, hätte ich mir bei einem Sprung aus der zweiten Etage auf jeden Fall den Hals gebrochen. Winston ging kein Risiko ein.
Dichter Nebel lag über den grünen Wiesen, die sich weithin erstreckten, und hüllte die Sidlaw Hills ein. Durch den feinen Dunst, der sich auf dem Fensterglas niedergeschlagen hatte, wirkte die Landschaft noch verschwommener. Heute würde ich Lady Catherine nicht im Park sehen.
Winston ließ sich erst spät am Nachmittag blicken. Rupert hatte mir ein paar Bücher gebracht, damit ich mir die Zeit vertreiben konnte, doch ich war nicht in der Lage, mich darauf zu konzentrieren. Meine Gedanken galten Liam, der sich auf der Heide versteckt hatte, um seine Haut zu retten, während ich ihn der Krone auf einem Silbertablett auslieferte. Ich erstickte fast unter der Last meiner Schuldgefühle.
Mein Kerkermeister trug einen Jagdanzug und schlammbedeckte Stiefel, mit denen er schmutzige Abdrücke auf dem Eichenparkett hinterließ. Er stellte ein
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