Schwert und Laute
Schachspiel auf das Tischchen und entkorkte dann eine Flasche Sherry.
»Ich bedaure, dass ich so lange ausgeblieben bin«, entschuldigte er sich spöttisch und reichte mir ein Glas, das ich dieses Mal annahm.
»Es hätte mir nichts ausgemacht, wenn Ihr eine Ewigkeit weggeblieben wäret.«
»Tatsächlich? Die Ewigkeit kann sehr lang sein, wisst Ihr.«
Er setzte sich auf einen mit zinnoberrotem Samt bezogenen Barocksessel und streckte die langen Beine vor sich aus. Ich zwang mich, eine gleichmütige Miene zu wahren. Aus seinen blauen Augen musterte er mich peinlich genau, um einen Riss in meinem Schutzpanzer zu entdecken.
»Habt Ihr gut geschlafen? Ich habe Euch heute Nacht schreien gehört.«
»Diese zarte Rücksichtnahme steht Euch nicht zu Gesicht, Lord Dunning«, gab ich zurück und nippte an der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
Er ging nicht auf meine Bemerkung ein, sondern trank ebenfalls von seinem Sherry.
»War die Jagd gut?«
»Ja, wir haben einen riesigen Keiler erlegt, der seit Beginn des Frühlings in den Wäldern des Gutes sein Unwesen trieb. Das Tier hatte vor einigen Wochen bereits zwei Männer verletzt, und einem davon musste man das Bein amputieren.«
Er verzog das Gesicht.
»Das war kein besonders schöner Anblick.«
Er lächelte mir zu, bevor er in gut gelauntem Ton weitersprach.
»Captain Turner ist mit sechs seiner Dragoner zu uns unterwegs. Er müsste in ungefähr einer Stunde eintreffen. Vielleicht möchtet Ihr Euch zum Dinner zu uns gesellen?«
Mir schnürte sich die Kehle zu.
»Nein, ich lege keinen besonderen Wert darauf«, antwortete ich und stand auf.
Ich ging zum Kamin, in dem kein Feuer brannte, und erblickte in dem Spiegel, der darüber hing, mein Bild. Mit meinen dunklen Augenringen und meiner bleichen Haut sah ich wie eine Hexe aus.
»Was habt Ihr mit mir vor... danach? Ihr könnt mich ja wohl nicht mein Leben lang hier gefangen halten.«
»Daran hatte ich allerdings gedacht«, erklärte er und nahm noch einen Schluck Sherry. »Ihr werdet bald Witwe sein, ich bin
ledig und im Moment... relativ frei. Natürlich habe ich sämtliche Verhandlungen bezüglich der Heirat mit Caroline Winslow abgebrochen. Dieses Mädchen hätte sogar noch in unserem Bett die Bibel umklammert und Psalmen gesungen. Trotzdem muss ich an meine Zukunft denken. Ich bin neunundzwanzig, da ist es höchste Zeit, dass ich einen Erben bekomme.«
Ich biss die Zähne zusammen und beobachtete ihn im Spiegel.
»Ihr werdet mich heiraten, Caitlin.«
Ich riss die Augen auf.
»Euch heiraten? Ihr scherzt wohl!«
»Ihr werdet mich heiraten«, wiederholte er.
Ein verächtliches Lachen stieg wie von selbst in meiner Kehle auf und hallte schrill durch den Raum.
»Also wirklich, Lord Dunning, jetzt seht Euch einmal an!«, rief ich mit beißendem Spott. »Ihr, ein Mitglied des Oberhauses, wollt eine gemeine Dienstmagd heiraten, und eine Mörderin noch dazu! Eure Mutter wird vor Scham sterben!«
»Ihr müsstet eigentlich wissen, dass ich inzwischen nur noch wenig Wert auf die Meinung anderer lege. Solange ich bekomme, was ich will.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Ich werde Euch keine andere Wahl lassen«, erklärte er mit rauer Stimme. »Euer Bruder... Patrick, meine ich... Euer Bruder ist in kleine, nicht ganz... legale Geschäfte verwickelt, versteht Ihr? Außerdem hättet Ihr Gelegenheit... wie habt Ihr ihn noch genannt? Ah! ... Stephen wiederzusehen. Oder habt Ihr ihn vielleicht schon vergessen?«
Ich schloss die Augen und gab mir große Mühe, nicht in lautes Schluchzen auszubrechen. Dieses Vergnügen würde ich ihm nicht bereiten. Er würde sich nur daran ergötzen.
»Geht... geht es ihm gut?«
Langsam stand er auf und schüttelte die Beine aus. Abwesenden Blicks betrachtete er die getrockneten Schlammstückchen, die von seinen Stiefeln abfielen und um seine Füße herum auf dem Boden lagen. Dann kam er herüber und stellte sich hinter mich. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel.
»Ja. Er ist ein sehr kräftiger kleiner Junge. Er plappert schon ohne Unterlass.«
»Wo ist er?«
»Aber, aber, Caitlin, Ihr wisst doch, dass ich Euch unmöglich verraten kann, wo sich Euer Sohn befindet. Ich kann Euch aber versichern, dass er in guten Händen ist. Ich besuche ihn regelmäßig, schließlich ist er trotz allem mein Bruder. Ich muss Euch gestehen, dass er ganz allerliebst ist.«
Mein Herz schlug zum Zerspringen. Ich spürte eine große Leere in mir, und den Schmerz, der an dieser Stelle saß. Ich hatte
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