Schwert und Laute
nach denen ich mich so sehr sehnte, gemeinsam hatte.
Das kleine Anwesen lag, einige Meilen von dem Marktflecken Peebles entfernt, zwischen sanften grünen Hügeln am Lauf des Tweed. Patrick setzte sich zu mir auf eine Steinbank, die im Schatten einer gewaltigen Weide stand. Sanft liebkosten die Äste das glitzernde Wasser des Flusses, der in der heißen Julisonne dahinplätscherte. Ich musste zugeben, dass die Landluft mir guttat, denn nach und nach konnte ich wieder klar denken.
Das Laub bebte in der Sommerbrise und flüsterte eine sanfte Melodie, die meinen Schmerz besänftigte. Die Sonne stand im Zenit, und selbst der Schatten bot an diesem brütend heißen Tag keine Abkühlung. Patrick begrüßte mich mit einem schwachen Lächeln und umarmte mich. Der Duft seines Eau de Toilette vermischte sich mit dem Geruch der Stallungen, von denen er, wie ich vermutete, herkam. In seinem beigefarben abgesetzten Anzug aus blauem Serge und seinem Hemd aus irischem Leinen wirkte er heute sehr elegant.
Patrick hatte noch nie viel Wert auf schreiende Details gelegt, auf Spitzen oder leuchtende Farben, sondern stets einen nüchternen Stil bevorzugt und trug das Haar ungepudert und einfach mit einem Band im Nacken zusammengefasst. Leise lächelnd versuchte ich, ihn mir mit einer dieser voluminösen Perücken vorzustellen, wie die Adligen sie so sehr liebten. Ein trauriges Bild,
bei dem mich mit einem Mal die Erinnerung an Winston überfiel.
Ich zupfte am Ausschnitt meines Kleides. Es war aber auch furchtbar heiß! Patrick zog schwer atmend seinen Rock aus und legte ihn zwischen uns. Die Hitze setzte ihm ebenfalls zu. Schweigend saßen wir nebeneinander und betrachteten die Hügel, über deren blassem Smaragdgrün sich ein dunstiger Himmel wölbte. Das Bild beschwor Erinnerungen an meine Kindheit in Irland herauf. Zu meinem größten Erstaunen stellte ich fest, dass ich immer seltener an meine heimatliche Insel dachte. Ich fragte mich, ob Patrick sich wohl langweilte. Er wirkte zufrieden, aber andererseits besaß er auch die Fähigkeit, sich überall wohl zu fühlen, wo er etwas zum Lesen und Schreibmaterial fand. Da er standhaft schwieg, beschloss ich, das Gespräch zu beginnen.
»Gefällt es dir in Edinburgh?«
»Ja, ganz gut.«
Vergeblich wartete ich darauf, dass er noch etwas sagte.
»Und, hast du dein Herz bereits an jemanden verschenkt?«
Er zuckte die Achseln und lachte kurz auf.
»Nein, es wartet noch. Hast du es so eilig, mich zu verheiraten?«
»Es wäre nicht übel, eine Schwägerin zu haben, der ich von allen deinen Streichen erzählen kann.«
Mein Wortschwall machte ihm keinen Eindruck. Offensichtlich war Patrick in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt. Ich schob ihm eine Haarsträhne hinters Ohr zurück und streichelte ihm dabei über die glatte Wange. Er schloss die Augen und hielt meine Hand fest, um sie zu küssen. Dann ließ er sie los, wandte sich zu mir und sah mir direkt in die Augen.
»Vater macht sich schreckliche Vorwürfe, Caitlin.«
»Es ist nicht seine Schuld, Patrick.«
»Es tut ihm so leid, dass er dich bei den Dunnings in Stellung gegeben hat.«
»So etwas konnte er doch nicht ahnen.«
»Ich weiß, aber ...«
Ich schlüpfte aus den Schuhen und streckte die Beine aus. Ich war Patrick einige Erklärungen schuldig. Doch er würde niemals
wagen, das Thema, das ihn umtrieb, von sich aus anzuschneiden. Ich musste ihm selbst ein Zeichen geben und ihm bedeuten, dass ich bereit war, ihn anzuhören.
»Stell mir deine Frage, Patrick. Willst du es wissen?«
Er zögerte und rutschte unruhig auf der Bank herum. Seine Schulter streifte mich, und ich strich eine unsichtbare Falte an meinem lavendelblauen Kleid glatt.
»Du brauchst mir nicht davon zu erzählen, wenn du nicht willst. Vater hat mir berichtet, was du ihm gesagt hast...«
Er unterbrach sich und schlug die Augen nieder.
»Den Rest kann ich mir vorstellen. Immerhin ein Glück, dass er dir keinen... Bastard angehängt hat.«
Ich errötete heftig und wandte abrupt den Kopf ab. Meine Gefühle überwältigten mich. Ich konnte ihm nicht von Stephen erzählen. Nur vier Menschen kannten mein schreckliches Geheimnis. Becky hatte auf die Bibel geschworen, es niemals einem Menschen zu enthüllen. Die Hebamme hatte man für ihr Schweigen wahrscheinlich fürstlich entlohnt. Winston hatte sich darum gekümmert, eine Familie zu finden, die meinen Sohn aufnahm. Außerdem Lord Dunning. Niemand anderes durfte davon erfahren, sonst lief mein Sohn
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