Schwert und Laute
hält er sich in Edinburgh auf?«
»Ich bin ihm vor drei Tagen zufällig auf der Highstreet begegnet. Am nächsten Morgen bekam ich eine Nachricht von ihm, in der er mich aufforderte, ihn zu treffen...«
»Dieser Hund!«, schimpfte er.
»Ich hatte keine andere Wahl, Patrick«, gab ich mit zitternden Lippen zurück.
Er sprang auf und stieß mich dabei an.
»Ich möchte dir gern glauben! Wenn ich richtig verstehe, hattest du die Wahl, ihm entweder die Laken zu wärmen oder Liam hängen zu sehen.«
Und das Glück meines Sohnes zu opfern, hätte ich noch hinzufügen
können. Ich vergrub das Gesicht in den Händen, um meine ganze Schande darin zu verbergen.
»Ja«, flüsterte ich zwischen den Fingern hindurch.
»Bist du sicher, dass er seinen Teil des Abkommens erfüllen wird, nun, da er...? Himmelherrgott, dieser dreckige Bastard!«
Er schlug mit der Faust auf den abgeschliffenen Stein der Bank und begann dann wütend auf dem Rasenstück vor mir hin und her zu gehen.
»Ich hatte ein Dokument, das er von eigener Hand unterzeichnet hat, ehe ich meine Wahl traf, und ich habe es selbst zum Tolbooth-Gefängnis gebracht. Liam müsste in den nächsten Tagen begnadigt werden...«
Patrick kniete vor mir nieder. Mit den Daumen wischte er die dicken Tränen weg, die mir über die Wangen liefen. Eine tiefe Trauer stand in seinen schwarzen Augen. Er hatte Mutters Augen. Sie fehlte mir so sehr...
»Ach, warum musst du es im Leben nur immer so schwer haben, Kitty? Ich hätte mir so sehr gewünscht, es wäre anders für dich gekommen.«
Ich streifte seine Stirn sanft mit den Lippen und zog ihn an mein Herz.
»Ich ebenfalls, Pat, aber um Liam bei mir zu behalten, bin ich bereit, große Opfer zu bringen.«
»Ich hoffe nur, dass er es auch wert ist.«
»Ja«, flüsterte ich und schloss die Augen. »Er ist nämlich alles, was ich habe.«
Den größten Teil meiner Zeit brachte ich mit Schlafen und Essen zu, um wieder zu Kräften zu kommen. Nach und nach kehrten mein Appetit und meine Hoffnung zurück, und Lady Sinclair stopfte mich wie eine Gans. Ich müsse etwas Speck auf meine abgemagerten Glieder bekommen, erklärte sie mir. Die Männer würden keine kleinen dünnen Dinger mögen, sie wollten Frauen mit Fleisch auf den Knochen. Mit ihren Vorhaltungen schaffte sie es sogar, mir ein Lächeln zu entlocken. Um die Mitte des dritten Tages machten wir uns auf den Rückweg.
Gleich nach unserer Ankunft in Edinburgh schickte ich Patrick
zum Gefängnis, um sich nach Liam zu erkundigen. Weniger als eine halbe Stunde später war er zurück, gerötet vom Rennen und völlig außer Atem.
»Sie haben ihn freigelassen, Caitlin... heute Morgen«, keuchte er und wischte sich die Stirn mit dem Ärmelaufschlag ab.
»Wie bitte?«, rief ich bestürzt. »Aber wo steckt er dann? Edwina hat mir versichert, dass heute niemand nach mir gefragt hat. Wir müssen ihn finden, Patrick...«
Ich sprach nicht zu Ende. Mir wurde schrecklich bange. Und wenn er nun direkt nach Glencoe zurückgekehrt war, weil ich ihn verraten hatte? Diese Vorstellung stürzte mich in Panik, und Schmerz und Schuldgefühle stiegen in mir auf.
»Ich werde die Tavernen und Herbergen abgehen«, erbot sich Patrick. »Vielleicht braucht er ein wenig Zeit für sich, bevor er heimkommt... Bei seiner Größe und seinem Auftreten kann er nicht unbemerkt geblieben sein.«
Doch Patrick kehrte nach dreistündiger Suche unverrichteter Dinge zurück. Niemand hatte Liam gesehen. Stoirm stand noch im Stall der Herberge, womit klar wurde, dass er nicht nach Glencoe zurückgeritten war. Ich nahm diese Nachricht mit einer gewissen Erleichterung auf. Inzwischen war es Nacht geworden, und mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, ob er auftauchen würde.
Mitternacht war vorüber. Alle anderen waren schon vor gut einer Stunde zu Bett gegangen. Da hörte ich hinter der Tür ein Rascheln, das wieder verstummte. Ich spitzte die Ohren, doch es blieb still. Wahrscheinlich war Mr. Sinclair früher von seinem Besitz zurückgekehrt. Er hatte eigentlich noch einige Tage bleiben wollen, um einen guten Hengst für seine Stute, die gedeckt werden sollte, zu finden. Ich wollte schon meine Kerze ausblasen, als die Tür leise quietschend in den Angeln schwang.
Ich schlug die Hand vor den Mund und schrie bestürzt auf. Liam stand in der Tür und stützte sich mit den Händen am Türrahmen ab. Mein Herz tat einen Satz, und ich erbleichte. Das war Liam, und zugleich war er es nicht. Der Mann, der mich
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