Schwert und Laute
war verblutet, als er zu fliehen versuchte. Ein Schwerthieb hatte ihm die Schlagader am Schenkel durchtrennt. Die Leichen wurden in ihre Plaids gewickelt und über die Sättel geworfen, ein makaberes Schauspiel. Hass, Neid, Rache, alles verging beim Übertritt in die nächste Welt. Diese Seelen hatten ihren Frieden gefunden.
Für die Lebenden traf das Gegenteil zu. Sie steckten die Waffen der Toten in die Halfter an ihren Sätteln und steckten die Wertgegenstände der Besiegten in ihre Sporrans. So ging nach dem Ende des Krieges das Leben weiter. Ich dachte an einen der Gründe, aus denen diese Männer tot waren, und biss mir auf die Lippen. Rache, Blut für Blut, eine verdammte Seele für zehn un-
schuldige. Vielleicht glaubten sie jetzt, Glencoe gerächt zu haben, vielleicht stellten sie sich vor, Meghans Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt zu haben. Doch ich wusste im Grunde meines Herzens, dass sie deswegen noch lange keine Ruhe finden würden. Die Jagd war vorüber, aber es würde andere geben. Dieses Land würde immer nach Blut dürsten.
Der Trauerzug teilte sich auf. Männer aus Keppoch wandten sich mit den Leichen der Faolean gen Süden, um sie nach Glenlyon zu bringen. Wir schlugen mit unseren eigenen Toten die Straße nach Westen ein. In der Nähe von Torlundy trennten wir uns von dem Konvoi der Lochiels und bogen nach Süden ab, nach Carnoch.
Ich war matt und erschöpft. In der Nacht hatte ich nur wenig geschlafen, und mein Schlummer war immer wieder von blutigen Albträumen gestört worden, aus denen ich nassgeschwitzt und mit wild pochendem Herzen erwacht war. Liams Züge wirkten ebenso abgespannt wie meine. Die letzten beiden schlaflosen Nächte und die Anspannung und Angst der letzten Stunden standen ihm ins Gesicht geschrieben.
Ich hatte heute Morgen geblutet; sehr wenig, aber genug, um mir ernstliche Sorgen um mein Kind zu machen. Ich legte eine Hand auf meinen Leib und schloss die Augen.
»Halt dich nur gut fest in mir, a mhic mo ghaoil, mein geliebter Sohn«, flüsterte ich ganz leise.
Ich fing Liams Blick auf, der auf mir ruhte. Mir stieg das Blut in die Wangen. Er schaute merkwürdig drein.
»Geht es dir nicht gut?«
»Doch, alles in Ordnung«, antwortete ich und lächelte verlegen.
Es war eine traurige Heimkehr nach Carnoch. Wir brachten Nialls sterbliche Hülle zu seiner Mutter. Das Dorf würde ihn drei Tage lang beweinen und dann auf der Eilean Munde neben seinem Vater beisetzen.
Während unserer zehntägigen Abwesenheit war viel geschehen. Wir hatten einen neuen Mitbewohner bekommen: Der kleine Robin hatte Seamrag gebracht. Das winzige schwarze Fellbündel war zu einem niedlichen jungen Hund herangewachsen, der eifrig
mit dem Schwanz wedelte und ständig um unsere Beine herum rannte und hüpfte. Patrick hatte wenig Lust, mit den Hühnern zusammenzuleben, und hatte daher hinter dem Haus einen Hühnerstall gebaut. Seamrag liebte es, hinter ihnen herzulaufen, und jagte sie zum Nachbarn, der sich weigerte, sie wieder herauszugeben. Aber vor allem hatte die Beziehung zwischen meinem Bruder und Sära eine ziemlich unerwartete Wendung genommen... für Liam jedenfalls.
Wir waren von der Eilean Munde zurückgekehrt. Liam brachte die Pferde in den Stall zurück, als er an einer leeren Box vorüberging und die Überraschung seines Lebens erlebte. Sàra richtete soeben mit roten Wangen und angeschwollenen Lippen ihr Mieder, während Patrick sich ungeschickt die Strohhalme aus den Haaren zupfte.
Angesichts dieses Bildes – das ich im Übrigen ziemlich komisch fand – erstarrte Liam, und dann spiegelte sich eine Abfolge verschiedener Empfindungen auf seinem Gesicht, die über Verblüffung und Ungläubigkeit schließlich in Zorn einmündeten.
»Was...? Sofort hinaus hier, Sàra!«, brüllte er und wies seiner Schwester den Ausgang.
»Liam, das ist nicht so, wie du glaubst!«, stammelte sie verwirrt und wich vor dem wütenden Blick ihres Bruders einen Schritt zurück.
»Ich sagte, dass du sofort hinausgehen sollst«, wiederholte er barsch.
Sie warf Patrick, der ihr bedeutete, ihrem Bruder zu gehorchen, einen ängstlichen Blick zu und drehte sich dann wieder zu Liam um.
»Du hast kein Recht, mir vorzuschreiben, wie ich mich verhalten soll, Liam Macdonald!«, brach es plötzlich aus ihr heraus. »Ich bin es wirklich mehr als leid! Herrgott, du behandelst mich, als wäre ich noch ein kleines Mädchen! Zuerst hast du mich daran gehindert, Tom Stewart zu sehen, und jetzt...«
»Tom
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