Schwert und Laute
Cairns 19 .«
»Sind das die Cairns, die man in der Nähe von Ballachulish immer noch sehen kann?«
»Ja.«
»Was ist danach aus den Fiann-Kriegern geworden?«
»Der Legende zufolge schlafen sie in unseren Bergen. Der Wind ist ihr Atem, und eines Tages werden sie erwachen, wenn das Horn ihres Chiefs sie ruft.«
»Sind sie eure Vorfahren?«
Lächelnd schüttelte Liam den Kopf und warf mir einen belustigten Blick zu.
»Coll hat mich dasselbe gefragt. Nein, die Geschichte unserer Vorfahren ist weniger romantisch. Dieses Tal gehörte einst den Macdougalls von Lorn, die verloren es, nachdem sie sich, als Robert Bruce der Erste nach der schottischen Krone strebte, der falschen Seite angeschlossen hatten, an Angus Og von Islay, einen der Kriegsführer der Macdonalds. Dieser hatte sich mit dem neuen König verbündet und 1314 in Bannockburn an seiner Seite gekämpft. Der Sohn des Angus Og, Iain Og nan Fraoch – also ›John von der Heide‹ – erhielt das Tal als Erbe. Aus seinem Namen leitet sich der Titel unseres Chiefs ab, Maclain, was ‹Sohn des Iain‹ bedeutet, und das Heidekraut ist unser Wappen. Die Macdonalds sind die Söhne des großen Herrn der Inseln, Sommerled des Norwegers, und John ist der dreizehnte Chief des Clans der Macdonalds von Glencoe.«
Ich legte die Hand auf die Liams, die meinen Leib streichelte.
»Das sollst du ihm alles an den langen Winterabenden erzählen. Er muss wissen, woher er stammt und wer er ist, auf dass er es seinerseits seinen Kindern erzählen kann. Er wird ein Sohn der Macdonals sein.«
»Und wenn es ein Mädchen wird?«, fragte Liam und kniff mich lachend in einen gewissen Körperteil.
»Nun, dann wird sie die Tochter ihres Vaters sein und ganz gewiss nie einen Mann in ihre Nähe lassen.«
»Und sie wird eine Kriegerin sein wie ihre Mutter.«
»Ich, eine Kriegerin?«, fragte ich erstaunt und zog eine Augenbraue hoch.
»Das sagen die Männer über dich, seit du Campbell getötet hast. Sie haben dir den Beinamen Badh Dubh verliehen.«
»Badh? In Irland ist das eine keltische Kriegsgöttin, so wie Morrigaine, Nemain und Macha. Bei der Schlacht von Clontarf im Jahr 1014, in welcher der große König Brian gegen die Wikinger obsiegte, ist sie in der Gestalt einer Krähe über den Köpfen der Krieger erschienen. Es heißt, diese Göttinnen wohnten in den Raben, die über den Schlachtfeldern kreisen und sich von den Besiegten nähren.«
Nachdenklich erinnerte ich mich an jenen Morgen vor einigen Tagen, als ich den großen schwarzen Vogel angesprochen und dann die Männer überrascht hatte, die mich beobachteten.
»Sie halten mich für eine dieser Kriegsgöttinnen!«, stieß ich hervor und prustete vor Lachen. »Das ist wirklich lächerlich! Ich habe mich in meinem Leben noch nie so gefürchtet wie in jener Nacht! Außerdem sind für mich Raben nichts als Unglücksboten.«
»Manche der Krieger hängen noch dem alten Aberglauben an, a ghràidh, und es ist eine Ehre für dich, dass sie dich so sehen. Und manche Menschen betrachten diese Vögel auch als Glücksbringer.«
Er nahm eine meiner Haarsträhnen und ließ das seidige Bündel durch seine Finger gleiten.
»Für sie kann eine Irin mit rabenschwarzem Haar, die einen ihrer schlimmsten Feinde tötet, nur eine Göttin sein. Badh Dubh eben.«
Ich hatte eine Verabredung mit Shakespeare. Endlich! Erschöpft setzte ich mich, das Buch unter den Arm geklemmt, gemütlich ins Gras. Den Vormittag über hatte ich im Küchengarten gearbeitet. Jetzt beschloss ich, das prächtige Wetter, das seit dem frühen Morgen herrschte, ein wenig auszunutzen, denn ich wusste genau, dass von einem Moment zum anderen neue Wolken aufziehen konnten. So war eben das Wetter hier.
Ich hatte das angenehme Gefühl, auf einer flauschigen Wolke zu schweben. Abgesehen von meiner Müdigkeit fühlte ich mich so glücklich wie noch nie zuvor. Die Blutungen hatten aufgehört; das Kind klammerte sich an mich und an das Leben. Liam hatte angemerkt, dass es gewiss ebenso starrköpfig werden würde wie ich. Mein Appetit kehrte langsam zurück, und ich hatte Gewicht zugelegt. Nur von eingelegten Heringen wurde mir immer noch übel.
Patrick und Sàra waren inzwischen durch Handfast verbunden. Dabei handelte es sich nicht um eine kirchliche Trauung, sondern eher um eine Art Abkommen zwischen zwei Liebenden, die sich verpflichteten, ein Jahr und einen Tag als Mann und Frau zu leben. Danach stand es den beiden frei, sich entweder zu trennen oder vor einem
Weitere Kostenlose Bücher