Schwert und Laute
die Männer und lauerte auf seine Beute. Wie gebannt verfolgte ich den Kampf, der sich auf der Lichtung abspielte. Die beiden Gegner legten eine unerhörte Heftigkeit an den Tag, stürzten aufeinander los, wirbelten herum und attackierten einander erneut. Nur der Tod würde diesen unheimlichen Tanz beenden. Wieder ließ sich Winstons gehässige Stimme vernehmen.
»Hat sie Euch einmal von Stephen erzählt?«
Seine schneidenden Worte zerrissen mir das Herz. Der Tiefschlag saß. Liam verließ die Kraft, sein Schwert schleifte über den Boden. Winston verfolgte seine Reaktion genau und schien zufrieden. Angestachelt von der Wirkung seiner Worte fuhr er fort.
»Ich sehe, dass sie es nicht getan hat. Natürlich sollte auch niemand davon wissen. Ich stelle erfreut fest, dass sie ein Geheimnis bewahren konnte.«
»Wer ist Stephen?«
Langsam, immer ein Bein dem anderen nachziehend, bewegte Liam sich seitwärts. Winston vollzog seine Schritte in entgegengesetzter Richtung nach.
»Ihr Sohn, Herrgott! Der Arme, so jung zur Waise geworden...«
»Ihr... Sohn?«
Liam wandte mir den Rücken zu, doch ich sah trotzdem, wie er erstarrte. Winston musterte ihn verächtlich und schätzte die Wirkung seiner Enthüllung ab.
»Sie hat einen Sohn...?«
Seine Mähne flog, als er ungläubig den Kopf schüttelte. Er tat noch einige Schritte und wandte mir jetzt sein Profil zu.
»Wie gern wäre ich der Erzeuger gewesen! Doch, wie Ihr bereits wisst, hat sie meinem Vater gedient, und gut gedient, wenn Ihr meine Meinung hören wollt...«
Liams Schultern sackten herab, und kurz floh sein Blick seinen Gegner, der nur auf den richtigen Moment wartete, um ihm den entscheidenden Schlag zu versetzen.
»Der Kleine ist sehr hübsch und ganz reizend. Er ähnelt seiner Mutter stark, Gott sei’s gedankt! Er hat ein kleines Grübchen in der Wange, genau wie sie.«
Liam rührte sich nicht mehr und sah verstört zu Boden. Winston drosch auf sein Schwert ein, und er verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie. Ich hielt den Atem an. Über die Lichtung hatte sich eine lastende Stille gesenkt, in der selbst die Vögel nicht zu zwitschern wagten. Winston warf Liam mit einem Fußtritt zu Boden und stieß mit dem Schwert zu. Liam rollte sich zur Seite, doch die Klinge durchbohrte seinen Oberschenkel und heftete ihn am Boden fest.
Ein durchdringender Schrei erscholl, von dem ich nicht hätte sagen können, ob Liam oder ich ihn ausgestoßen hatten. Ich rannte den Weg zur Lichtung hinauf. Alles drehte sich um mich, und ich konnte nicht mehr klar sehen.
»Neiiin!«, schrie ich.
Winston, der soeben sein Schwert zurückziehen wollte, hob verblüfft den Kopf und starrte mich vollkommen ungläubig an. Das Blut wich ihm aus dem Gesicht, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er sich meinem Geist gegenübersah, denn mit meiner bleichen Haut, den tief umschatteten Augen und meinen aufgesprungenen Lippen musste ich ihm wie ein Gespenst erscheinen.
Liam nutzte Winstons kurze Unaufmerksamkeit, um nach seinem Schwert zu greifen. Das bläuliche Aufblitzen des Stahls zog Winstons Blick auf sich, und er wandte sich zu seinem Gegner, der zu seinen Füßen lag, um. Ein heiserer Aufschrei, und dann durchbohrte die Klinge Winstons Körper. Er stieß einen verblüfften Laut aus und sah auf Liams schimmerndes Schwert hinunter, das bis zum Heft in seinem Leib steckte. Stirnrunzelnd umfasste er den Griff mit beiden Händen und verzog angewidert den Mund.
»Hölle und Verdammnis...«, murmelte er und zog die Klinge heraus.
Ein Blutschwall quoll hervor und tränkte sein Hemd und seine Weste, dann stürzte er auf die Knie. Seine Lippen verzerrten sich zu einem grausigen Ausdruck, und er stieß ein gurgelndes Geräusch aus. Wie versteinert stand ich da und vermochte den Blick nicht von Winston loszureißen, der mich jetzt mit einem eigenartigen Ausdruck ansah. Dann sackte er zusammen und wand sich, von Zuckungen geschüttelt, neben Liam am Boden.
Ich warf mich über ihn und drosch schluchzend mit den Fäusten auf ihn ein. Wenn er jetzt starb, würde er sein Geheimnis mitnehmen.
»Wo ist er, du Bastard? Wo ist Stephen?«, schrie ich verzweifelt.
Bis zur Erschöpfung schlug ich auf ihn ein und brach dann weinend über ihm zusammen. Mit seinem Tod nahm er mir meinen Sohn weg, für immer. Das tat so weh... so entsetzlich weh.
In meiner Nähe gingen die Männer umher. Ich war derart in meinen Kummer versunken, dass ich die anderen ganz vergessen hatte. Mit einer
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