Schwert und Laute
raschen Bewegung zog Simon das Schwert heraus, das immer noch in Liams Schenkel steckte, worauf dieser einen gellenden Schmerzensschrei ausstieß. Ich vermochte wieder klar zu denken und stürzte zu Liam, der sich in dem blutroten Gras vor Pein wand. Den Bruchteil eines Augenblicks lang fragte ich mich, welche Wunde ihn wohl am meisten schmerzte, die in seinem Körper oder die in seinem Herzen.
Ich schob mir den letzten Bissen gebratenen Fisch in den Mund. Liam schlummerte, den Kopf auf meine Schenkel gelegt. Ich strich über seine Stirn, die trocken und warm war.
»Was habt ihr mit der Leiche gemacht?«, fragte ich Simon, der ein paar trockene Zweige ins Feuer legte.
»Wollt Ihr das tatsächlich wissen?«, gab er mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen zurück.
»...Nein, lieber nicht.«
»Aber ich kann Euch zumindest versichern, dass man ihn nicht wiedererkennen wird, selbst wenn ihn jemand finden sollte.«
Ich verzog das Gesicht, um die Bilder von verstümmelten Körpern, die mir durch den Kopf gingen, zu verscheuchen.
»Warum habt Ihr Dunning nicht getötet, Simon?«
Er sah mich an und zuckte die Achseln.
»Liam hatte mir keinen Befehl dazu gegeben.«
Ich schaute ihn mit offenem Mund an.
»Warum solltet Ihr einen Befehl von ihm brauchen, um ihm das Leben zu retten?«
»Weil er es so wollte, Caitlin. Das hatte er mir vor dem Beginn des Duells ausdrücklich zu verstehen gegeben und mir versichert, er werde mich töten, wenn ich gegen seinen Befehl verstieße. Und ich habe seinen Wunsch respektiert.«
»Das begreife ich nicht! Dunning hätte ihn umgebracht, wenn ich nicht gekommen wäre. Hättet Ihr dabei zugeschaut, ohne mit der Wimper zu zucken? Ihr hättet keinen Finger gerührt aus dem einzigen Grund, dass Ihr ihm seinen Wunsch erfüllen wolltet? Weil er gedroht hatte, Euch zu töten? War Euch denn nicht klar, dass sein Rachedurst ihn blind gemacht hat und sein Geist in diesem Moment nicht besonders klar war?«
Er wandte den Blick ab und sah ins Feuer.
»Ich weiß es nicht«, sagte er nach einer Weile.
Sichtlich verlegen stand er auf und ging zum Seeufer. Donald, der unser Gespräch mitgehört hatte, schaute ihm verwirrt nach. Ich starrte ihn finster an.
»Und Ihr?«
Er zog die Schultern hoch, schlang sein Plaid um sich und rollte sich dann neben Calum, der bereits schlief, zusammen.
Liam bewegte sich und stieß einen erstickten Schmerzenslaut aus, der wie ein Schluchzen klang, was mich an seine Verwundungen erinnerte. Ich warf einen Blick auf seine blutdurchtränkten Verbände. Die Wunde in seiner Seite war oberflächlich und der halbmondförmige Schnitt nicht besonders tief. Sorgen bereitete mir dagegen die Verletzung in seinem Oberschenkel. Sie würde bestimmt lange brauchen, um zu heilen, denn die Klinge war auf einer Breite von mehreren Zoll in sein Bein eingedrungen. Immerhin bezweifelte ich, dass sie sich entzünden würde, denn Simon hatte fast eine ganze Flasche Whisky in die Wunde
gekippt. Ich hörte Liams Schreie immer noch, und bei der Vorstellung, wie der Alkohol in dem zerfetzten Fleisch gebrannt haben musste, lief es mir kalt über den Rücken.
Im Grunde aber sorgte ich mich vor allem um die Wunde in seinem Herzen. Er würde es mir wahrscheinlich verübeln, dass ich ihm Stephens Existenz verschwiegen hatte, und er hätte damit sogar Recht. Ich hätte auf seine Liebe vertrauen sollen.
Bei Nacht kühlte es inzwischen empfindlich ab. Eingewickelt in meinen Umhang legte ich mich neben ihn und schmiegte meine eisige Nasenspitze an seinen Hals, um sie zu wärmen. Er drehte sich zu mir um.
»Du bist kälter als ein Eiszapfen, a ghràidh.«
Er rollte sich auf die Seite, wobei er das Gesicht verzog, und legte den Arm um meine Schultern.
»Du solltest dich nicht so viel bewegen, Liam.«
»Ach, das wird schon. Das Schlimmste ist vorüber. In ein paar Tagen bin ich wieder gesund, du wirst schon sehen«, sagte er, um mich zu beruhigen.
Das ferne Heulen eines Wolfs hallte von den Klippen von Lundie Craig wider. Der Mond, der im ersten Viertel stand, erhellte die Nacht mit seinem silbrigen Licht und überhauchte die Seeoberfläche mit Myriarden blitzender Sterne.
Liam sah mich eindringlich an.
»Liam«, begann ich. »Worte sind manchmal Waffen, die härter als Stahl und schärfer als ein Schwert sind.«
»Ich weiß«, räumte er ein.
»Ich kann deinen Körper verbinden, aber für deine Seele...«
»Ich weiß«, wiederholte er. »Ich habe begriffen, was Dunning vorhatte.
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