Schwert und Laute
Liam stürmte nach drinnen und rüttelte Colin, der in der Nähe des Kamins auf dem Boden nächtigte, aus dem Schlaf. Er durfte keine Zeit verlieren, die Fackeln der Soldaten hatten sich der Kate schon bis auf wenige Schritte genähert.
»Colin, Vater, rasch!«, brüllte Liam. »Wir müssen fort, die Campbells greifen uns an.«
Sein Bruder fuhr verwirrt in die Höhe, immer noch schlaftrunken. Doch ein weiterer Schuss sorgte rasch dafür, dass er vollständig erwachte. Er stürzte zu den Betten, in denen ihr Vater und ihre beiden Schwestern schliefen, um sie zu wecken. Ginny, die guter Hoffnung war, konnte sich nicht ganz so schnell aufrappeln.
»Colin, lauf mit Sàra voraus!«, rief Liam. »Vater und ich kommen mit Ginny nach.«
Colin hatte kaum Zeit, zusammen mit Sàra aus dem Fenster zu klettern, als schon die Tür mit einem ohrenbetäubenden Krachen aufgestoßen wurde. Sergeant Barber stürzte zusammen mit zwei Soldaten herein. Duncan Macdonald erstarrte angesichts eines Musketenlaufs, der sich auf seine Stirn richtete. Ginny begann zu schreien. Liam bedeutete seiner Schwester, zu ihm zu kommen. Sie tat zwei Schritte in seine Richtung und krümmte sich dann plötzlich, als ein scharfer Schmerz durch ihren Leib fuhr. Einer der Soldaten nutzte die Gelegenheit, um sie grob an den Haaren zu packen und zum Tisch zu zerren, auf den er sie mit Gewalt stieß. Er begann zu lachen, wobei er ein verfaultes Gebiss enthüllte, und schob dann Ginnys Röcke hoch. Die junge Frau wehrte sich nach Kräften, doch der Rohling ohrfeigte sie brutal. Das Geräusch ließ Liam zusammenfahren.
»Sieh einer an«, höhnte der Mann. »Eine richtige kleine Teufelin. Und auch noch geschwängert von einem dieser Highlander-Hurensöhne! Jetzt werde ich dir zeigen, wie man mit Flittchen wie dir verfährt, meine Schöne.«
Ginny, deren Gesicht vor Schmerz verzerrt war, bedachte den Rüpel mit wütenden Blicken und drehte sich entsetzt zu Liam und ihrem Vater um, doch die wurden von dem Sergeanten und dem zweiten Soldaten mit Musketen in Schach gehalten und standen benommen und wie gelähmt da.
»Eure Frau?«, fragte der Sergeant, an Liam gerichtet, mit einem boshaften Grinsen.
»Sie ist meine Tochter, Bastard!«, brüllte Duncan. »Lasst sie los!«
Er wollte zu ihr laufen, doch Barber richtete die Waffe auf Ginny.
»Einen Schritt weiter, und ich puste ihr das Gehirn weg.«
Duncan erstarrte. Seine Züge waren wutverzerrt. Sein Atem ging keuchend, und er konnte den Blick nicht von seiner Tochter losreißen, die vergeblich um sich schlug.
»Eure Tochter, sagt Ihr?«, murmelte der Sergeant lauernd. »Und, habt Ihr es mit meiner Schwester ebenso getrieben, Macdonald?«, setzte Barber sarkastisch hinzu.
»Eurer Schwester?«
»Tut nicht so unschuldig, Macdonald! Ihr erinnert Euch sehr gut an meine Schwester, Hele...«
»Fahrt zur Hölle, Barber!«, unterbrach Duncan ihn brüsk. »Ich habe Eurer Schwester keine Gewalt angetan, sie... Herrgott im Himmel!«
In Duncan Macdonalds umnebelten Gedanken stiegen jetzt die Erinnerungen auf. Er warf seinem Sohn einen beschämten Blick zu, doch das war nicht der richtige Moment für Erklärungen und erst recht nicht für Gewissensbisse. Er hatte sein mea culpa abgelegt, fast achtzehn Jahre war das jetzt her. Liam würde es später erfahren, falls er noch die Möglichkeit hatte, ihm alles zu erklären ...
»... ich habe ihr keine Gewalt angetan.«
»Verfluchter Lügner! Sie ist zwei Jahre später vor Scham gestorben. Und Ihr, Ihr habt Euch ein wenig zu einfach aus der Affäre gezogen, wenn Ihr meine Meinung hören wollt. Auf diesen Moment habe ich mit Ungeduld gewartet, und ich glaube, das war der Mühe wert. Kommt, Tillery, zeigt uns, wie man diese Vögelchen zum Singen bringt.«
Der Soldat, der Ginny gepackt hielt, machte sich erneut ans Werk. Liam sah ihn wie vom Donner gerührt an. Wovon redeten die Männer nur? Sein Vater sollte eine Frau geschändet haben? Andere Männer taten so etwas vielleicht, aber doch nicht sein Vater! Der Sergeant bemerkte Liams verblüffte Miene und hielt es für angebracht, noch einige Erläuterungen an seine Adresse hinzuzufügen.
»Versteht Ihr, ich habe eine Rechnung mit Eurem Vater zu begleichen. Ich möchte, dass er für das, was er getan hat, bezahlt... bevor er stirbt.«
»Aber ...«
Liam hatte sich zu seinem Vater umgewandt, doch der schaute ihn nicht an, sondern hielt den Blick auf seine Tochter geheftet, ihn sich ihres Angreifers nicht erwehren
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