Schwerter und Rosen
einem glücklichen Leuchten in den Augen anzublicken. »Danach habe ich mich den ganzen Winter gesehnt.« Er grinste geschmeichelt und strich ihr mit dem Zeigefinger eine Strähne des dunkelblonden Haares aus der Stirn, das sich in einer frechen Locke unter dem von einem Schapel fixierten Schleier hervorkräuselte. Der mit aberwitzigen Tierfiguren verzierte Silberreif, der am Hinterkopf mit einem Band zusammengehalten wurde, warf tanzende Lichtreflexe auf den Boden zu ihren Füßen. Und als Harold sich erneut über Catherine beugte, um jeden Millimeter ihres unvorstellbar zarten Gesichtes mit Küssen zu bedecken, zerriss ihm das Glücksgefühl, das ihn dabei erfüllte, beinahe die Brust.
Noch vor wenigen Tagen hatte er das Schicksal verflucht, das ihn auf diesen Kreuzzug geschickt hatte, auf dem bisher nur Leid, Schmerz und Tod zu seinen Begleitern gezählt hatten. Doch wie von Zauberhand hatte sich das Rad der Fortuna in Bewegung gesetzt und ihm nicht nur einen neuen Dienstherrn, sondern auch die Liebe seines Lebens beschert. Ein heißer Schauer durchrieselte ihn, als Catherines Hand an seinem Oberschenkel hinaufwanderte und kurz vor seinem Schritt liegen blieb. Nachdem sie einen winzigen Augenblick innegehalten hatte, zog sie die Hand wieder zurück und sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und Scheu an. Gierig zog er sie erneut an sich, und als sich ihre Zungen ein weiteres Mal fanden, ließ er alle Hemmungen fahren und stahl sich mit der Linken zu ihrer Brust. Bevor er jedoch die Hand um die ersehnte Frucht schließen konnte, ließ ein amüsiertes Räuspern die beiden Liebenden zusammenfahren und hastig von der Bank aufspringen.
»Mylord«, stammelte Harold entsetzt, als er Henry of Cirencester erblickte, auf dessen gutmütigem Gesicht ein breites Feixen prangte. Die Arme des waffenerprobten Kämpfers waren verschränkt und der von einem flammend roten Schopf umrahmte Kopf leicht schräg gelegt. »Vielleicht solltet Ihr Euer kleines Geplänkel ein wenig abseits der gestrengen Augen des Herrn Vaters weiterführen«, frotzelte er und wies mit dem Kinn über die Schulter, wo der Earl of Derby sich angeregt mit einer der Hofdamen unterhielt, die sich charmant bei ihm untergehakt hatte. Zwar hatte der alte Fuchs den Braten schon längst gerochen, da sich Gerüchte auch hier schneller verbreiteten als der Wind. Doch nachdem Cirencester ihn gefragt hatte, ob er seinen neuen Knappen zurückpfeifen solle, hatte er gleichgültig die Schultern gehoben und erwidert: »Er ist ein Huntingdon. Das ist allemal besser als dieser elendige Widerling Essex!« Nach einer kurzen Pause hatte er hinzugesetzt: »Wenn er seinem Vater nachschlägt, hat er eine blendende Zukunft vor sich.« Also hatte Henry versprochen, ein Auge auf die beiden zu haben, ihnen jedoch keine Steine in den Weg zu legen, solange sie die Grenzen des Anstandes nicht überschritten. Weshalb er den Burschen auch zu diesem Abschiedsfest zu Ehren Aliénors im königlichen Stadtpalast mitgenommen hatte. »Noch ein Ratschlag«, bemerkte er, während die beiden jungen Leute ihm mit hochroten Gesichtern in den Garten folgten. »Haltet Euch vom Earl of Essex fern. Dieses Kapitel ist noch nicht abgeschlossen.« Mit einem letzten warnenden Blick auf Harold wandte er ihnen den Rücken zu und verschwand in der Menge.
Jerusalem, Die Zitadelle, April 1191
Unangemessen laut hallte der Schlag von den Wänden wider. »Ich glaube dir nicht«, fauchte Shahzadi und holte erneut aus, um die stolz vor ihr stehende Philippa zu ohrfeigen. Obschon auch dieser Hieb zornig und wuchtig war, zuckte die Fränkin, die Shahzadi um beinahe einen Kopf überragte, nicht einmal zusammen, als die Finger der Prinzessin flammende Male auf ihrer Wange hinterließen. Kaum hatte die Sonne ihre Strahlen über die Bergkuppen geschickt, hatten Shazadis Eunuchen Rahels Fehlen entdeckt und ihrer Herrin gemeldet. Und nachdem die beiden Mädchen in ihrer Zeit im Harem so etwas Ähnliches wie Busenfreundinnen geworden waren, ging Shahzadi davon aus, dass die Geliebte ihres Bruders Salah ad-Din wusste, wer die Jüdin entführt hatte. Die Augen der Tochter des Herzogs von Franken lagen mit einem beinahe amüsierten Ausdruck auf der vor Zorn erbleichten Prinzessin, die erneut einen drohenden Schritt auf sie zumachte. Nicht einmal der schmeichelnd grüne Schleier konnte die Zornesfalten lindern, und als sie den Mund verzog, sah man ihr an, dass sie entgegen aller Augenwischerei keine junge Frau mehr
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