Schwerter und Rosen
bevor sich der immer noch trocken würgende Löwenherz darüber im Klaren war, dass die Qual ein Ende hatte, berührte der Bug des Zweimasters den aufgewühlten Sand der seichten Bucht. Wie ein Betrunkener taumelte er zur Reling, wo soeben eine Planke ausgelegt wurde, und ging mit zitternden Beinen von Bord. Am Strand angekommen, fiel er ermattet auf die Knie und dankte Gott mit einem Stoßgebet für die Erlösung aus den Schlünden der Hölle.
Sobald sich sein rasender Herzschlag beruhigte, rappelte er sich auf, klopfte den Schmutz von den Knien seiner Beinlinge und blickte sich neugierig auf der fruchtbaren Insel um. Etwa eine halbe Meile vor ihm erhoben sich die sanften Hügel eines Vorgebirges, auf denen die uralten Überreste der griechischen Hochkultur den Besucher willkommen hießen. Zur Linken eines zerfallenen Tempels zog soeben eine Ziegenherde in Richtung Landesinneres, während einige Hundert Schritte im Süden eine Handvoll ärmlich gekleideter Fischer mit den Trümmern ihrer zerschmetterten Boote kämpften. Weit hinten am Horizont erhoben sich die Dächer einer Ansiedlung. Und sobald die Pferde wohlbehalten das Festland erreicht hatten, jagte Richard Löwenherz mit zwei Dutzend Rittern davon, um sich der Unterstützung der Bewohner zu versichern. Wenn es stimmte, was ihm auf Kreta zugetragen worden war, dann könnte dieser unfreiwillige Umweg sogar einen Vorteil bergen, mit dem er noch am Vortag nicht hatte rechnen können. Als Teil des Byzantinischen Reiches war die Insel Rhodos ebenso daran interessiert, Palästina wieder unter christliche Herrschaft zu bringen wie die Kreuzfahrer. Wenn der Eifer der männlichen Bevölkerung nur annähernd so groß war wie der Ruf, der ihnen vorauseilte, dann würde sich die Stärke seiner Streitmacht hier noch ausbauen lassen.
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Als die Engländer auf Rhodos schon längst um die zum Abend hin entzündeten Feuer saßen und sich an Meeresfrüchten, Ziegenbraten und Wein labten, tobte etwa dreihundert Meilen weiter östlich, in der Nähe der Insel Zypern, der Sturm mit unverminderter Gewalt weiter. Und das Schiff der Königin und ihrer Hofdamen trieb immer weiter vom Kurs ab. »Der Herr behüte uns und bewahre uns vor dem Bösen«, hörte Catherine ihre Herrin mit angsterstickter Stimme murmeln, während sie sich mit einem Kruzifix in den Händen an die festgeschraubte Bettstatt klammerte, um nicht in der geräumigen Kabine hin und her geworfen zu werden. In den vergangenen Stunden hatte das Unwetter, das zunächst abzuflauen schien, wieder an Stärke zugenommen, und inzwischen wirkte es, als flögen sie durch die aufgewühlte See. Von den anderen Schiffen der Flotte war schon lange weit und breit nichts mehr zu sehen. Der Himmel über ihnen hatte eine gelbgraue Farbe angenommen, und die beängstigend schnell ziehenden Wolken hatten sich von einem schweren Bleigrau zu einem drohenden Schwarz gewandelt, aus dem in immer kürzer werdenden Abständen grelle Blitze zuckten. »Das ist der Zorn der Seeungeheuer«, stieß Berengaria hysterisch hervor, als ein ohrenbetäubendes Bersten sie zusammenzucken ließ. »Sie werden uns alle verschlingen!« Ebenfalls vor Furcht zitternd, ergriff Catherine ihre Hand und drückte sie fest – um sich selbst und ihrer Herrin Trost vor dem drohenden Tod im kalten Bett der Wellen zu spenden. »Gottes Güte wird Euch beschützen«, flüsterte sie. Aber bevor die inzwischen unkontrolliert schluchzende Spanierin etwas erwidern konnte, wurden die beiden jungen Frauen von einer furchtbaren Erschütterung, die den gesamten Schiffsrumpf erbeben ließ, zu Boden geschleudert, wo sie bewegungslos liegen blieben.
»Alle Mann von Bord!«, hallte die raue Stimme des Kapitäns über Deck, und innerhalb weniger Wimpernschläge polterten schwere Stiefel die schmalen Treppen zu den Unterkünften der Damen hinab. Bevor Catherine begriff, was geschehen war, spürte sie die starken Hände eines Ritters unter den Achseln, der sie mit unglaublicher Kraft ins Freie zerrte und über die rutschigen Planken, die unter ihren Füßen zu tanzen schienen, auf ein erschreckend winziges Beiboot zustieß. Dort schlang sich der Arm eines weiteren Mannes um ihre Taille, und ehe sie sich versah, drückte jemand ihren bereits vollkommen durchnässten Kopf unter eine der parallel verlaufenden Bänke. »Bleibt unten!«, befahl ein heiserer Bass. Keine zwei Minuten später starrte Catherine in die weit aufgerissenen Augen Berengarias, die dicht neben ihr in die Hocke
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