Schwerter und Rosen
war. »Der Tempelritter ist auch verschwunden«, zischte sie – die Lippen dicht am Ohr des Mädchens. »War er es?« Auch bei dieser Frage zuckte Philippa gleichgültig mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Was die erboste Shahzadi dazu veranlasste, den am Eingang des Raumes wartenden Mamelucken ein Zeichen zu geben und der Fränkin ins Gesicht zu schleudern: »Der Kerker hat schon wesentlich Verstocktere zum Sprechen gebracht!«
Doch anstatt Furcht traten lediglich Verachtung und Abscheu in die Augen der blonden Frau, die sich ohne Widerstand auf den Ausgang zuführen ließ. »Halt!« Die tiefe Stimme des Sultans durchschnitt die Luft wie die Schneide eines Krummschwertes. Und kaum hatten sie die Gestalt Salah ad-Dins erblickt, ließen die Wächter ihre Gefangene fahren und warfen sich auf die Fliesen. Mit schweren Schritten durchmaß der Sultan den Raum, den er durch eine Tür in der gegenüberliegenden Wand betreten hatte, und baute sich vor seiner Schwester auf, die demütig den Blick gesenkt hatte. Einzig Philippa machte keine Anstalten, ihm den von der Etikette verlangten Respekt zu erweisen, sondern lächelte ihn hocherhobenen Hauptes an. »Du wirst weder diesem Mädchen noch irgendeinem anderen etwas antun lassen!«, donnerte Salah ad-Din, während Shahzadi unter dem kühlen Blick seiner grauen Augen immer kleiner zu werden schien. »Und du wirst es nicht wagen, dem Templer Häscher hinterherzuschicken!« Die feine Röte, die bei diesen Worten ihre Wangen überzog, verriet ihm, dass genau das ihre Absicht gewesen war, weshalb ihm die nächsten Worte leicht fielen. »Nachdem ich auch dieses Mal nicht länger als ein paar Tage bleiben kann, wird es das Beste sein, wenn du dich in deine Gemächer zurückziehst«, befahl er hart und straffte die mächtigen Schultern. »Der Großwesir ist durchaus in der Lage, die Dinge hier ohne deine Hilfe zu regeln!« Die Falten um seinen energischen Mund vertieften sich, als er die Lippen aufeinanderpresste. »Du wirst die Zitadelle nur noch mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis verlassen!«
Kurz vor Rhodos, Ende April 1191
»Land in Sicht!« Noch niemals zuvor in seinem Leben hatte Richard Löwenherz die Worte mit mehr Erleichterung vernommen als in diesem Augenblick, da der Zweimaster erneut mit furchtbarer Gewalt von einem Wellenkamm zum nächsten geschleudert wurde. Die Sturmfront, in deren Zentrum die Flotte kurz nach ihrem Aufbruch von Kreta geraten war, hatte die Schiffe innerhalb kürzester Zeit wie Spielzeug auseinandergetrieben. Und als der den Seeleuten waagerecht ins Gesicht peitschende Regen eingesetzt hatte, hatten sie die anderen Mitglieder der langen Kette aus Transport- und Kriegsschiffen aus den Augen verloren. Erneut krampfte sich sein Magen zusammen, als das bauchige Gefährt, in dessen überschwemmtem Laderaum die kostbaren Reittiere der Kreuzfahrer in Todesangst wieherten und stampften, mit schwindelerregender Geschwindigkeit in einen der gurgelnden Schlünde stürzte, um mit dem Krachen von Holz auf der anderen Seite wieder aufzutauchen. Obwohl ihn einer seiner Männer auf seinen Befehl hin an der glitschigen Reling festgebunden hatte, warf ihn die Wucht des Auftriebes beinahe von den Beinen. Während sich Galle und Magensaft den Weg ins Freie suchten, verfluchte er den Tag, an dem er beschlossen hatte, sich auf diese Fahrt zu begeben.
»Wir haben es bald geschafft, Sire«, brüllte ihm der vor Nässe triefende Richard of Devizes ins Ohr, dessen für gewöhnlich flachsfarbenes Blondhaar in einem Gewirr aus schmutzig gelben Strähnen an seinem bleichen Gesicht klebte. Die blauen Augen, in denen Furcht und Hoffnung widerstritten, ruhten voller Mitleid auf seinem Liebhaber. Aber sobald dieser den Kopf hob, um sich den Mund zu wischen, wandte er hastig den Blick, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen. »Das dort ist die Küste von Rhodos!« Sein ausgestreckter Zeigefinger zitterte ein wenig, als er auf das verwaschene Grün vor ihnen wies. Er wollte gerade etwas hinzusetzen. Doch die mit unheimlicher Plötzlichkeit eintretende Ruhe ließ ihn verdutzt innehalten und das zerfetzte Hauptsegel anstarren, das wie ein erschlaffter Sack um den Mast fiel. Wie durch Zauberhand weggewischt, flaute der Wind ab, die bleiernen Wolken rissen auf und die sich nur noch leicht kräuselnden Wellen warfen die blendenden Strahlen der Sonne zurück. Innerhalb weniger Augenblicke legte sich auch das wilde Schaukeln der beschädigten Kriegsschiffe. Und
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