Schwerter und Rosen
Welt um sie herum in Undeutlichkeit verblasste, wurden die beiden Liebenden jedoch von sich schnell näherndem Hufschlag aufgeschreckt, woraufhin sie sich hastig hinter einem der dichten, den Wegesrand säumenden Dornenbüsche verbargen. Es dauerte kein Dutzend Augenblicke, bis eine Abordnung moslemischer Bogenschützen dicht an ihrem Versteck vorbei auf Jerusalem zupreschte, wo sie nach einem lautstarken Austausch mit den Wachposten verschwanden. »Wir sollten etwas Abstand zwischen uns und die Stadt bringen.« Nach einem letzten, hungrigen Kuss hob Curd das Mädchen wieder in den Sattel und saß ebenfalls auf, um mit einem leisen Befehl und einem gezielten Hieb mit dem Treibstock das Kamel weiter in Richtung Küste zu treiben.
Während sie – die allmählich anbrechende Dämmerung im Rücken – auf den Höckern des schwankenden Wüstenschiffes auf die Freiheit zutrabten, berichtete der Templer seiner Geliebten von den Ereignissen der vergangenen Monate. Als sie ihn mehrere Male überrascht unterbrach, mahnte er sie zur Geduld, bis er am Ende seiner Geschichte angelangt war. »Wir werden uns bei Jaffa einschiffen und vor Akkon zu den Kreuzfahrern stoßen«, erklärte er. »Wenn wir erst einmal dort sind, wird sich alles Weitere ergeben.« »Aber damit wendest du dich gegen deinen Vater!«, wandte Rahel erschrocken ein. Doch Curd schüttelte lächelnd den Kopf. »Wir sind uns beide im Klaren darüber, auf welcher Seite wir stehen«, bemerkte er versonnen. »Er erwartet nicht von mir, dass ich die Fronten wechsle.«
Vor den Stadttoren Akkons, April 1191
»Die Tage Eurer Vorherrschaft sind vorbei«, herrschte der vor wenigen Tagen gelandete Philipp von Frankreich den verdatterten Guy de Lusignan an. Während im Hintergrund das Schlagen der Zimmermannshämmer weithin verkündete, dass die Belagerer neues Gerät erhalten hatten, fauchten sich im Zentrum des immer noch von Seuchen heimgesuchten Kreuzfahrerlagers die beiden erbittert verfeindeten Parteien lautstark an. Da nach Sibylles Tod und Konrads Heirat mit Isabella die Unterstützung für Guy langsam, aber sicher schwand, hatte der französische König sich sofort zum neuen Anführer des Heeres aufgeschwungen und die Hilfe des Speichel leckenden Leopold von Österreich erfreut angenommen. »Seht lieber zu, dass Ihr Eure Männer auf ihren Posten bringt!« Philipps rundliches Gesicht glühte vor Ärger darüber, dass dieser Emporkömmling, der das Anrecht auf die Krone nur durch die Heirat mit der Witwe des ehemaligen Herrschers über Jerusalem erhalten hatte, es wagte, ihm die Stirn zu bieten. Erst dachte dieser wortbrüchige englische Hundesohn, er könne ihn an der Nase herumführen, und nun wagte es dieser unwichtige Möchtegernkönig, sich seiner Befehlsgewalt zu widersetzen!
Ungeachtet des unschönen Streites begannen die vor Kurzem errichteten Katapulte bereits damit, die inzwischen heftig zerschossenen Stadtmauern zu bestreichen. Und auch die erste Hundertschaft Bogen- und Armbrustschützen rückte bereits aus. »Wenn Ihr Euch weiterhin weigert, meinem Befehl Folge zu leisten, lasse ich Euch gefangen setzen!«, tobte Philipp. Die dunklen Augen unter den dichten Brauen sprühten Funken, und das von einem kleinen Bärtchen bedeckte Kinn war kampfeslustig vorgeschoben. Zähneknirschend schluckte Guy, dessen für gewöhnlich helle Gesichtshaut ebenfalls einen dunkleren Ton angenommen hatte, die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, schwang sich in den Sattel seines tänzelnden Hengstes und preschte wortlos davon, um dem von ihm befehligten Kontingent Anweisungen zu geben. Denn wie immer hatte Salah ad-Dins Streitmacht – sobald die Einschläge der schweren Geschosse Staub in den Himmel wirbelten – damit begonnen, die übermannshohen Erdwälle der Belagerer anzugreifen. Wenn doch nur Richard Löwenherz bald eintreffen würde!, grollte er. Dann würde dieser kleine Giftzwerg endlich in seine Schranken gewiesen!
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Kopfschüttelnd setzte Arnfried von Hilgartsberg, der an Ansberts Seite die Auseinandersetzung verfolgt hatte, den Fuß in den Steigbügel und machte sich zum Kampf bereit. Die Hand am Zügel des schweren Schlachtrosses zögerte einen Augenblick lang, bevor er das harte Leder zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte, um sich in den Sattel zu ziehen. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, hatte ihn seit dem Tod des Herzogs von Schwaben der Kriegseifer verlassen. Denn da dem bunt zusammengewürfelten Haufen christlicher
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