Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
daß er nackt gesehen werden wollte, und sicherlich nicht mit den bunten Bändern der Damen. Die Sonne war nun jedoch aufgegangen, und jeden Augenblick mochten Gale, Afreyt oder ein sonstiger Besucher auftauchen.
»Denn obwohl Eure als Nonnen verkleideten Damen jedes Recht dazu hatten, Euch als ihren Liebhaber auszuzeichnen – da Ihr ihnen allen gegenüber wohl äußerst freizügig gewesen seid –, bedeutet das nicht, daß ich bei ihrem nichtsnutzigen Scherz mitmachen muß, wenn ich ihn auch komisch finde«, sagte das Mädchen, als sie mit seinem Bademantel zurückeilte, wobei sie laut sprach, weil sie annahm, daß er wirklich noch schlief und diese Tatsache auf jeden Fall nachprüfen wollte.
Inzwischen war sie zu dem recht romantischen Schluß gelangt, Fafhrd sei in der Lage des Schönen in Trance, in den Mythen Lankhmars ein männliches Gegenstück zu Dornröschen – ein mit einem Schlafbann belegter junger Mann, der nur durch den Kuß seiner wahren Liebe geweckt werden kann.
Was Finger auf der Stelle den Gedanken eingab, den schlafenden (und sonderbar veränderten, sogar beängstigenden) Helden für den wiederbelebenden Kuß zu Lady Afreyt zu befördern.
Schließlich waren sie ihr als Liebespaar vorgestellt worden (und als wirklich vornehme Leute), nur daß Fafhrd sich mit den nichtsnutzigen Nonnen herumgetrieben hatte, doch den Belehrungen ihrer Mutter zufolge war dies genau die Art von Herumtreiberei, die man von einem Mann erwarten konnte. Außerdem hatte er unter dem Druck gestanden, die Suche nach seinem Partnerkapitän voranzutreiben, der unter der Erde verschwunden war.
Fafhrd und Afreyt wieder zusammenzubringen, war das Mindeste, was sie für all das ihr erwiesene Gute tun konnte, beginnend mit ihrer Errettung von der Wiesel.
Fafhrd ließ auf dem Pilzbett noch keinerlei Anzeichen von Erwachen erkennen. Also legte sie ihm den sonnenwarmen Bademantel über und nötigte ihn sanft mit Worten und kleinen Hilfen, ihn anzulegen.
»Steht auf, Kapitän Fafhrd«, schlug sie vor, »dann helfe ich Euch in Euren Mantel und bringe Euch an einen schattigen, gemütlichen Ort, wo Ihr richtig ausschlafen könnt.«
Als sie ihn mit einigen Wiederholungen dieser sanften Hilfen und Aufmunterungen auf die Beine gebracht hatte (noch immer fest schlafend, tatsächlich im Stehen) und sein Gürtel zugebunden war, so daß der Mantel seine bunten Ehrenzeichen vollständig verhüllte – ein aufmerksamer Blick rundum zeigte, daß sie noch immer unbeobachtet blieben – stieß sie einen erleichterten Seufzer aus und machte sich daran, ihn auf die gleiche Weise zu Cifs Haus zu bugsieren.
Doch sie waren noch nicht weiter gelangt als bis zur Monduhr, da kam Finger die Frage in den Sinn, wo denn nur all die anderen waren.
Man sollte meinen, nach diesem zweiten großen Wetterumschwung wäre jede einzelne Seele draußen, um das Wunder zu schauen, zu bereden und sich in der Wärme zu aalen.
Doch wo man auch hinsah, kein Mensch war zu sehen oder zu hören. Es war unheimlich.
Den ganzen Vortag hatte die Grabearbeit nach Kapitän Mausling einen steten Verkehr zwischen dem Schacht, den Baracken und Cifs Haus aufrecht erhalten. Heute war seit Cifs Abfahrt im Mondschein nichts davon zu bemerken.
Es war so, als läge Fafhrds Schlafbann auch auf jedem anderen Bewohner Salzhavens – außer ihr selbst. Vielleicht stimmte das ja sogar.
Und dieser somnambulische Bann lastete viel stärker auf Fafhrd, als sie zu Beginn angenommen hatte. Nun hatten sie beide schon den halben Weg zu Cifs Haus zurückgelegt, und noch immer gab es kein Anzeichen eines Erwachens.
Allmählich kamen ihr Zweifel an der siegreichen Macht von Afreyts Kuß. Vielleicht wäre es besser, wenn Fafhrd sich richtig ausschlafen könnte, wie sie ihm mit ihren aufmunternden Worten vorgeschlagen hatte.
Und was, wenn Afreyt von der Idee des Schönen in Trance und des wiederbelebenden Kusses nichts hielt? Oder wenn sie es versuchte, und es nicht gelang? Und sie dann beide vergeblich versuchten, Fafhrd aufzuwecken? Und Lady Afreyt ihr die Schuld daran geben würde?
Plötzlich verlor sie jeden Glauben an die Ideen, die ihr eben noch gerade so brillant erschienen waren. Nun schien es ihr das richtige, Fafhrd wieder in tiefen Schlaf zu versetzen (wie sie es ihm wieder und wieder versprochen hatte), sobald sie einen dafür geeigneten Ort erreichten. Sie erinnerte sich an einen unfehlbaren Schlafspruch, den ihre Mutter sie gelehrt hatte. Je früher sie ihn Fafhrd vorsagte, desto
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