Schwester der Finsternis - 11
vieles für sich; ewiges Alter wäre weitaus weniger attraktiv. Dadurch, dass du den Palast der Propheten zerstört hast, wo er reichlich Zeit gehabt hätte, seinen Plan zu verwirklichen, ist er gezwungen worden, früher zu handeln statt später.«
Richard ließ sich auf seine Matte sinken und legte seinen Handrücken auf die Stirn. »Er lässt sich vom Schmied eine Bannform aus Eisen anfertigen. Der Schmied hat nicht die leiseste Ahnung, was er dort baut. Später soll die Bannform dann mit Gold überzogen werden.«
»Aus Gründen der Reinheit. Sehr wahrscheinlich ist das nur Teil des Herstellungsverfahrens. Es wäre sogar möglich, dass die goldüberzogene Bannform nichts weiter ist als ein Gussmodell, mit dessen Hilfe die eigentliche Bannform in purem Gold gegossen werden soll.«
Richard kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Wenn es tatsächlich ein Gussmodell ist, dann beabsichtigt Narev wahrscheinlich, eine ganze Reihe dieser Bannformen zu gießen – die dann zusammenwirken sollen.«
Nicci sah auf und runzelte die Stirn. »Ja, das wäre eine Möglichkeit.«
»Könnte der Schmied durch die Herstellung eines solchen Apparates zu Schaden kommen?«
»Nein. Es handelt sich um einen den Menschen zuträglichen Zauber. Lässt man den beabsichtigten Verwendungszweck erst einmal außer Acht, dann ist ein solcher Bann grundsätzlich vorteilhaft; er verlangsamt das Altern und verlängert so das Leben.«
»Und Bruder Narevs Jünger?«
»Junge Zauberer aus dem Palast der Propheten.«
Richard setzte sich beunruhigt auf. »Ich war auch im Palast der Propheten, sie werden mich wiedererkennen.«
»Nein. Sie waren als junge Zauberer zur Ausbildung dort, haben den Palast jedoch verlassen, um Bruder Narev zu folgen, bevor du dort eintrafst. Wenn sie dich sehen, werden sie dich nicht erkennen.«
»Wenn sie Zauberer sind, werden sie dann nicht spüren, dass ich Magie besitze?«
Ein verächtliches Lächeln ging über ihre Züge. »So talentiert sind sie nicht. Verglichen mit dir sind sie nichts als übereifrige Wirrköpfe.«
Richard empfand den Vergleich als nicht gerade tröstlich. »Wird nicht Bruder Narev oder einer seiner Jünger dich erkennen?«
Ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Oh, mich würden sie schon erkennen.«
»Das klingt, als sei die Gabe in Bruder Narev sehr stark ausgeprägt. Wird er nicht erkennen können, dass ich die Gabe besitze? Er hat mich seltsam angeschaut und gefragt, ob er mich kennt. Irgendwas hat er gespürt.«
»Wie bist du darauf gekommen, er könnte ein Zauberer sein?«
Richard zupfte an der Strohfüllung, die aus dem Polster auf seiner Pritsche hervorquoll, und dachte über die Frage nach.
»Es gab nichts, was eindeutig darauf hingewiesen hätte, aber eine Reihe von Kleinigkeiten haben geradezu zwingend meinen Verdacht erregt: seine Körperhaltung, die Art, wie er die Menschen ansah, seine Art zu sprechen – eigentlich alles. Erst nachdem ich auf den Gedanken gekommen war, Narev könnte ein Zauberer sein, wurde mir bewusst, dass der Apparat, den der Schmied für ihn baute, wie eine Bannform aussieht.«
»Aus ganz ähnlichen Gründen wird er argwöhnen, dass du die Gabe besitzt. Kannst du feststellen, wer die Gabe hat?«
»Ja. Ich habe gelernt, diesen zeitlosen Blick in den Augen der Menschen zu erkennen. In gewisser Weise kann ich die Aura der Gabe sehen, vorausgesetzt, sie ist sehr stark ausgeprägt – bei dir zum Beispiel. Manchmal knistert die Luft in deiner Umgebung.«
Sie starrte ihn fasziniert an. »So etwas habe ich noch nie gehört. Das muss etwas damit zu tun haben, dass du beide Seiten der Magie besitzt.«
»Du doch auch, und du siehst es nicht?«
»Nein. Aber ich habe mir die subtraktive Seite auf andere Weise erworben.«
Sie hatte ihre Seele dem Hüter der Unterwelt verschrieben. »Aber bei Bruder Narev erkennst du nichts dergleichen, oder?« Als Richard daraufhin den Kopf schüttelte, fuhr sie mit ihrer Erklärung fort. »Wie ich schon sagte, liegt das daran, dass du über unterschiedliche Aspekte der Gabe verfügst. Außer deiner Anlage zu vernünftigem Denken besitzt du keinerlei zauberische Fähigkeiten, um die Gabe bei ihm zu entdecken; und er wiederum besitzt keine hexenmeisterischen Fähigkeiten, um die Gabe bei dir zu erkennen. Eure Gabe funktioniert beim jeweils anderen nicht. Allein deine Fähigkeit zu vernunftmäßigem Denken hat dir verraten, dass er die Gabe hat.«
Richard merkte, dass sie ihm, ohne es unmittelbar auszusprechen, zu verstehen gab, er
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