Schwester der Finsternis - 11
Verna unter Tränen. »Kahlan…«, hauchte er.
Sie beugte sich vor. »Hier bin ich, Warren. Versuch nicht zu sprechen, bleib einfach…«
»Hör mir zu.«
Kahlan drückte seine Hand an ihre Wange. »Ich höre dir zu, Warren.« »Richard hatte Recht. Mit seiner Vision. Ich musste es dir sagen.« Kahlan wusste nicht, was sie antworten sollte.
Ein Lächeln ging über sein aschfahles Gesicht. »Verna…«
»Was ist, mein Liebster?«
»Ich liebe dich. Schon immer.«
Vernas Tränen schnürten ihr die Kehle zu, sie bekam kaum ein Wort heraus. »Stirb nicht, Warren. Bitte stirb nicht. Bitte.«
»Gib mir einen Kuss«, sagte Warren leise, »solange ich noch lebe. Und trauere nicht um das, was endet, sondern freue dich über das gute Leben, das wir zusammen hatten. Küss mich, meine Liebste.«
Verna beugte sich über ihn, legte ihre Lippen auf seine und gab ihm einen zarten, liebevollen Kuss, während ihre Tränen auf sein Gesicht fielen.
Unfähig, den Anblick länger zu ertragen, verließ Kahlan wankend das Zelt, wo Zedds schützende Arme sie in Empfang nahmen. Sie verbarg ihre Tränen an seiner Schulter.
»Was tun wir nur?«, weinte sie. »Wozu ist das alles gut? Was nützt uns irgendwas davon? Wir sind im Begriff, alles zu verlieren.«
Auf ihre Tränen und die Sinnlosigkeit all dessen wusste auch Zedd keine Antwort.
Die Minuten schleppten sich dahin. Kahlan zwang sich, stark zu sein, ihrer Rolle als Mutter Konfessor gerecht zu werden. Sie durfte den Männern nicht zeigen, wie sie sich gehen ließ.
Ganz in der Nähe standen stumm einige Soldaten; sie vermieden jeden Blick in Richtung auf das Zelt, in dem Warren im Sterben lag. Als General Meiffert unvermutet aus der Dunkelheit auftauchte, war die Erleichterung in Caras Gesicht nicht zu übersehen. Hastigen Schritts ging er zu Cara hin, vermied es aber, sie zu berühren.
»Ich bin froh, dass Ihr sicher zurückgekehrt seid«, sagte er an Kahlan gerichtet. »Wie geht es Warren?«
Kahlan brachte kein Wort hervor.
Zedd schüttelte den Kopf. »Ich dachte nicht, dass er so lange überleben würde. Ich glaube, er hat nur durchgehalten, um seine Frau noch einmal sehen zu können.«
Der General nickte betrübt. »Wir haben den Mann gefasst, der das getan hat.«
Kahlan war sofort hellwach. »Bringt Ihn zu mir«, knurrte sie. Der General entfernte sich augenblicklich schnellen Schritts, um den Meuchelmörder beizubringen; auf ein entsprechendes Zeichen von Kahlan begleitete ihn Cara.
»Was hat er zu dir gesagt?«, erkundigte sich Zedd leise, damit die anderen es nicht mitbekamen. »Er wollte dir doch noch etwas sagen.« Kahlan holte tief Luft. »Er sagte: ›Richard hatte Recht.‹«
Zedd wandte voller Verzweiflung und Elend den Blick ab. Warren war sein Freund. Kahlan hatte gar nicht gewusst, dass Zedd zu jemandem Zuneigung fassen konnte, so wie er dies bei Warren getan hatte. Sie teilten Dinge, die sie, dessen war sie sich bewusst, niemals würde verstehen können. Trotz seiner jugendlichen Erscheinung war Warren über einhundertfünfzig Jahre alt und damit fast so alt wie Verna. Für Zedd, der stets als der weise, alte Zauberer bewundert wurde, musste es ein besonderer Trost gewesen sein, zauberische Dinge mit jemandem teilen zu können, der sich auf diese Dinge verstand, statt immer nur darauf angewiesen zu sein, Erklärungen und Belehrungen von sich zu geben.
»Genau dasselbe hat er auch zu mir gesagt«, erwiderte Zedd leise, unter Tränen.
»Wieso hat Warren seine Gabe nicht benutzt?«, fragte Kahlan. Zedd wischte sich über die Wange. »Er kam gerade des Wegs, als der Mann Holly packte und auf sie einstach. Vielleicht konnte der Meuchelmörder sein Opfer nicht finden, oder vielleicht hatte er sich verlaufen und war verwirrt, vielleicht geriet er auch einfach nur in Panik und beschloss, irgend jemanden zu erstechen, und Holly war in diesem Augenblick gerade zur Hand.«
Kahlan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Vielleicht hatte er den Auftrag, nach einem Zauberer in einem solchen Gewand Ausschau zu halten, und als er Warren erblickte, stach er auf Holly ein, um Verwirrung zu stiften und an Warren heranzukommen.«
»Das wäre denkbar. Warren weiß es wirklich nicht; es geschah alles viel zu schnell. Er stand unmittelbar daneben und hat einfach reagiert. Ich habe ihn gefragt, aber er wusste selbst nicht, warum er seine Kraft nicht benutzt hat. Vielleicht hatte er in diesem entsetzlichen Augenblick, als er das Messer aufblitzen sah, Angst, dabei auch
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