Schwester der Finsternis - 11
diese Schwestern des Lichts, die Hunderte von Jahren in seinem Namen gearbeitet hatten. »Ja, das tut Ihr.«
»Ihr hättet Euch ebenso verhalten«, schnauzte Schwester Aubrey sie an. »Wir mussten so handeln, sonst hätte Seine Exzellenz es an den anderen ausgelassen. Es war unsere Pflicht gegenüber dem Wohl der anderen – und dazu gehört auch Ihr, wie ich hinzufügen möchte. Wir durften nicht einfach an uns selber oder an Ann denken, sondern mussten überlegen, was für alle das Beste ist.«
Nicci spürte, wie die dumpfe Gleichgültigkeit sie zu ersticken drohte. »Schön, dann habt Ihr also die Prälatin verraten.« Nur ein Funken Neugier war ihr noch geblieben. »Aber wie kommt Ihr auf die Idee, dass sie mit Euch für immer hätte entkommen können? Sie muss doch irgendeinen Plan bezüglich der Chimären gehabt haben. Was, glaubte sie, würde geschehen, sobald Jagang erneut Zugang zu Eurem – und ihrem – Verstand bekommen hätte?«
»Seine Exzellenz ist stets mit uns«, beharrte Schwester Aubrey. »Ann wollte uns mit ihren albernen Ideen nur etwas einreden. So dumm sind wir nicht. Und alles Übrige war auch nichts weiter als Trick. Wir waren zu gerissen für sie.«
»Alles Übrige? Wie lautete der Rest des Plans?«
Schwester Georgia machte ihrer Empörung Luft. »Sie hat versucht, uns Dummheiten über irgendwelche Bande zu Lord Rahl einzureden.«
Nicci schloss halb die Augen, ganz darauf konzentriert, gleichmäßig weiterzuatmen. »Bande? Was ist das jetzt wieder für ein Unsinn, den Ihr da redet?«
Schwester Georgia sah Nicci ganz offen in die Augen. »Sie beteuerte beharrlich, wenn wir Richard die Treue schwörten, würde uns das beschützen. Sie behauptete, er sei durch irgendeinen Zauber im Stande, Jagang von unserem Verstand fern zu halten.«
»Wie das?«
Schwester Georgia zuckte mit den Achseln. »Sie behauptete, diese Sache mit den Banden schütze den Verstand der Menschen vor Traumwandlern. Aber so leichtgläubig sind wir nicht.«
Nicci presste ihre Hände auf die Oberschenkel, um ihre Finger ruhig zu halten. »Das verstehe ich nicht. Wie soll denn so was funktionieren?«
»Sie machte eine Andeutung, es sei ein Erbe seiner Vorfahren. Sie behauptete, wir brauchten nichts weiter zu tun, als ihm die Treue zu schwören, und zwar von ganzem Herzen – oder irgend so einen Unfug. Um ehrlich zu sein, es war so lächerlich, dass ich gar nicht richtig hingehört habe. Angeblich sei das auch der Grund, weshalb Jagang nicht in ihren Verstand eindringen kann.«
Es traf Nicci wie ein Schlag. Natürlich…
Sie hatte sich stets gefragt, warum Jagang nicht auch die übrigen Schwestern gefangen nahm. Noch immer gab es viele andere, die in Freiheit lebten und durch diese Bande zu Richard geschützt wurden. Es musste einfach stimmen, denn es klang durchaus logisch. Ihre eigene Anführerin, Schwester Ulicia, und die anderen Ausbilderinnen von Richard waren ebenfalls entkommen. Doch das schien keinen Sinn zu ergeben; sie waren – wie Nicci – Schwestern der Finsternis und hätten Richard die Treue schwören müssen. Ein solches Verhalten war für Nicci unvorstellbar.
Andererseits war Jagang oft nicht im Stande, in Niccis Verstand einzudringen.
»Ihr sagtet, Schwester Alessandra sei verschwunden.«
Schwester Georgia nestelte nervös am Kragen ihres schäbigen Kleides. »Beide sind verschwunden, sie und Ann.«
»Jagang wird sich kaum die Mühe machen, Euch über sein Tun zu unterrichten. Vielleicht hat er sie einfach umbringen lassen.«
Georgias Blick zuckte zu ihren Gefährtinnen hinüber.
»Nun … das wäre möglich. Aber Schwester Alessandra war eine von Euren … eine Schwester der Finsternis. Sie war besorgt um Ann…«
»Wieso wart Ihr nicht um sie besorgt? Ihr seid doch ihre Schwestern.«
Schwester Georgia räusperte sich. »Sie geriet über uns dermaßen in Wut, dass Seine Exzellenz Schwester Alessandra den Auftrag gab, nach ihr zu sehen.«
Nicci konnte sich vorstellen, dass es sich um einen ziemlich heftigen Wutanfall gehandelt haben musste. Aber nach dem Verrat durch ihre eigenen Schwestern war das nur zu gut verständlich. Jagang musste die Frau für so wertvoll gehalten haben, dass er sie am Leben ließ.
»Als wir in die Stadt einmarschierten, wurde Anns Wagen gar nicht mehr gesehen«, fuhr Schwester Georgia fort. »Einer der Fahrer kam schließlich mit blutverschmiertem Schädel zu sich und berichtete, das Letzte, was er gesehen habe, bevor es um ihn dunkel wurde, sei Schwester
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