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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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brauchen wir das Achat aber auch gar nicht«, warf Monsignore Mundaste ein.
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte de Gussa.
    »Ich will damit sagen…«, der dunkelhäutige Geistliche vermied es, den Bischof anzuschauen, »… dass Sie einem Irrglauben erliegen. Wir haben den Jungen, und damit haben wir auch das Achat.«
    Wieder erhob sich die Kakofonie der Stimmen. Eine übertönte alle anderen. »Und was, wenn nicht?« De Gussas brüllte noch lauter, ließ einen nach dem anderen verstummen. »Was, wenn ich Recht habe? Wenn der Junge eben nicht über das Achat verfügt? Was dann?«
    Fabricio Lucarno, der Abt aus New York, räusperte sich. »Was mich viel mehr interessiert: Was macht Sie so sicher, dass es noch eine weitere Zielperson gibt?«
    »Der Junge wusste bis vor wenigen Tagen nicht, dass er der Auserwählte ist«, führte der Bischof aus. »Und bis zu diesem Augenblick versteht er nicht, was mit ihm geschieht. Warum sollte ausgerechnet er im Besitz des Achats sein?«
    »Weil es immer so war!«, antwortete Garnier.
    »Richtig«, pflichtete Giaccomo Lorenzini ihm bei. »Und es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass es diesmal anders sein wird.«
    Boris Garnier nickte. »Um es deutlich zu sagen, werter Bischof: Nichts weist darauf hin, dass ihre Vermutung mehr sein könnte als ein Hirngespinst.«
    De Gussa funkelte den Präfekten der Kongregation an. Garnier schien sich in der Rolle des Widerparts zunehmend zu gefallen. De Gussa durfte nicht zulassen, dass er sich als Wortführer einer Opposition aufschwang und ihn vor versammeltem Offizium bloßstellte. Das konnte gefährlich werden. Er hielt einen Zeitungsartikel hoch.
    Lucarno neigte zweifelnd den Kopf. »Was ist das?«
    »Eine Zeitung.«
    »Das sehen wir.« Erneut war es Garnier, der das Wort ergriff. »Und warum zeigen Sie uns die?«
    »Weil sich ein Hinweis darin findet, dass es noch eine weitere Person unseres Interesses gibt.«
    »Eine jämmerliche Zeitung aus…« Lucarno versuchte die Buchstaben über den Tisch hinweg zu erspähen, aber das Licht der wenigen Lampen machte es seinen Augen schwer. »Und die soll uns umstimmen?«
    De Gussa überlegte einen Moment, bevor er antwortete: »Was meinen Sie, wie wir auf die angeblichen Wunderheilungen in Trujillo aufmerksam geworden sind? Ganz bestimmt nicht, weil dieser widerwärtige Andrej Comistadore uns darüber verständigt hat.«
    »Sie haben das in der Zeitung gelesen?« Lucarno sah ihn ungläubig an.
    »Nun, nicht wirklich ich«, gab de Gussa zu und lächelte zum ersten Mal an diesem Abend. »Sie werden vielleicht schon davon gehört haben: Das Informantennetz des Vatikans ist das beste der Welt. Es wertet E-Mails, das Internet, Tageszeitungen und Magazine aus. Keine Nachricht von Bedeutung, die dem Heiligen Stuhl entgeht. Und wir vom Offizium partizipieren daran.«
    »Ach«, schnaubte Lucarno abfällig. »Verstehe ich das jetzt richtig? Wir haben das beste Spionagenetz der Welt, das selbst einem kleinen Wunder in der brasilianischen Einöde auf die Spur kommt. Aber einen Jungen, der von so ungeheurer Wichtigkeit ist, haben Sie 20 Jahre lang nicht auftreiben können?« Deutliche Missbilligung sprach aus seinen Worten.
    »Das ist etwas anderes«, sagte de Gussa unwirsch und einige der Anwesenden stimmten leise zu. Doch de Gussa beobachtete mit Sorge, wie viele von ihnen schwiegen oder sogar mit demonstrativem Kopfschütteln reagierten.
    Lucarno ließ nicht locker. »Warum sollte das etwas anderes sein?«
    De Gussa sah ihn an. Der Abt war mit seinen 49 Jahren der Jüngste unter ihnen und als Nachfolger von Laurent Bones, dem jüngst verstorbenen Bischof aus New York, noch nicht ganz mit der Brisanz der Fragen vertraut, die das Offizium beschäftigten. Vielleicht wollte er aber auch nur unter Beweis stellen, dass er seinen Platz in der Runde verdient hatte.
    Boris Garnier hakte ein und nahm de Gussa damit die Möglichkeit, auf den Vorwurf einzugehen: »Ich kann die Zweifel Lucarnos verstehen. Und Monsignore…«, er nickte in Richtung des schwarzafrikanischen Bischofs, »ich teile Ihre Ansicht: Das Problem wird am Ende gar nicht so dramatische Auswirkungen haben, wie wir fürchten. Wir haben jetzt den Jungen. Das ist es, worauf wir die vielen Jahre über gehofft haben. Und es gab nie einen Zweifel daran, dass wir dieses Ziel nicht erreichen würden. Auch jetzt bin ich überzeugt: Der Junge wird uns das Achat bringen. Und damit werden wir die Bücher entschlüsseln.« Er machte eine Pause, als
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