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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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stolz erklärt und seine beiden Söhne, Paul und Bart, in den Arm genommen. Zufrieden hatte er gesagt: »Wenn ich nun bald das Hotel an euch übergebe, dann soll es gerüstet sein für die Zukunft.«
    Welche Zukunft?, dachte Paul in diesem Augenblick, in dem das Gästepaar vom Festland vor ihm stand. Die Zukunft war ein Haufen Bockmist, seit seine Freundin abgereist war. Beatrice, die zu ihm gesagt hatte: Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
    »Mister Griscom«, rief ihn der Mann zurück in die Gegenwart. Seine dichten Koteletten waren im Gegensatz zu seinem lichten grauen Haupthaar von dichter Bräune. »Unser Schlüssel…«
    Paul stöhnte auf. Die Bedienung der Chipkarten war wirklich kinderleicht. Warum mussten die Leute sich nur immer so dumm anstellen? Warum musste er sich mit ihren nichtigen Problemen herumärgern? Warum rief Beatrice ihn nicht an? Er meinte: »Sie müssen einfach die Seite mit dem schwarzen Magnetstreifen durch den Abtaster ziehen, und die Tür springt auf.«
    »Nein, das tut sie eben nicht«, widersprach der Mann.
    »Tut sie wohl!«, stellte Paul klar. Eine Spur zu heftig.
    Die Ehefrau trat erschrocken einen Schritt zurück.
    »Nein«, beharrte ihr Mann, »und bitte schreien Sie uns nicht an.«
    »Ich schreie doch gar nicht!«, schrie Paul.
    »Paul«, sagte eine Stimme hinter ihm, und starke Hände schoben ihn beiseite. Bart trat aus dem Durchgang zur Küche und kam an den Tresen.
    »Bart, ist schon in Ordnung«, meinte Paul und wandte sich wieder den beiden Hotelgästen zu.
    »Du hast Recht, Paul, alles ist in Ordnung«, antwortete Bart und baute sich zwischen seinem Bruder und den deutschen Besuchern auf. »Entschuldigen Sie das Verhalten meines Bruders, er hat einen schwierigen Tag hinter sich.«
    Das Ehepaar nickte, doch ihre Mienen verrieten, dass sie einen schwierigen Tag für keine ausreichende Entschuldigung hielten, erst recht nicht, als Paul wütend schimpfte: »Bart, was soll das?«
    Bart überging die Bemerkung und hielt den Gästen stattdessen seine Handfläche entgegen. »Wenn Sie mir bitte den Schlüssel geben würden?« Sie reichten ihm die Chipkarte. »Und welche Zimmernummer ist die Ihre?« Er bemühte sich um ein zwangloses Lächeln. »Wäre doch gelacht, wenn wir das Problem nicht beheben können.«
    »Wir haben alles probiert«, sagte der Mann und vermied es, Paul anzuschauen, »aber es funktioniert nicht.«
    Er nannte die Ziffern, und Barts Lächeln wurde verbindlicher. »Da haben wir doch das Problem.« Er griff zum Schlüsselbrett hinter sich und vertauschte einige Chipkarten, die an den Haken hingen. »Sie haben den falschen Schlüssel.« Er übergab eine neue Karte. »Es tut mir aufrichtig Leid. Entschuldigen Sie. Nehmen Sie doch morgen einen Drink auf Kosten des Hauses. Als kleinen Ausgleich für die Unannehmlichkeiten.«
    Das Ehepaar bedankte sich und ging zurück zum Fahrstuhl, nicht ohne Paul noch einen strafenden Blick zuzuwerfen. Als die Fahrstuhltüren sich hinter ihnen schlossen, drehte Bart sich zu seinem Bruder um. Dieser blitzte ihn an. »Na danke«, schimpfte er, »das hätte ich auch noch selbst herausfinden können!«
    »Ach ja?«, meinte Bart und rieb sich die roten Haare. »Bevor oder nachdem du unsere Gäste zu Kleinholz verarbeitet hättest?«
    »Was soll das heißen?«
    »Das fragst du mich?«, entgegnete Bart ruhig. »Merkst du nicht, was mit dir los ist?«
    »Was soll denn mit mir los sein?«
    »Wie du unsere Gäste beschimpfst?«
    »Ich beschimpfe sie doch nicht. Wenn sie zu dumm sind, ihre Türen…«
    »Paul«, unterbrach ihn Bart. »Sie sind nicht zu dumm. Sie haben nur den falschen Schlüssel von dir erhalten.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Du hast die Chipkarten vertauscht, mein Lieber.«
    Paul hob die Hände. »Na wenn schon, das kann doch mal passieren.«
    »Da gebe ich dir vollkommen Recht. Aber du darfst unsere Gäste nicht für deine Fehler verantwortlich machen. Damit erreichst du allenfalls, dass sie sich bei ihrem nächsten Londonaufenthalt für ein anderes Hotel entscheiden.«
    »Du und dein Geschäftssinn. Als wäre das Hotel das Einzige, was zählt.«
    Bart blickte zu Boden. Es war nicht das erste Mal, dass sie darüber in Streit gerieten. Aber er wollte keinen Streit heraufbeschwören. Es würde zu nichts führen. Es würde Beatrice auch nicht zurückbringen. »Im Augenblick schon«, sagte er.
    »Du hast doch gar keine Ahnung.«
    »Sei kein Trotzkopf.« Paul verzog das Gesicht

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