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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Angela.
    »Und ich habe damit zu tun?«
    »In gewisser Weise.«
    Beatrice verlor die Geduld. »Was verschweigst du mir?«
    »Ich wusste, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem du mir diese Frage stellen würdest. An dem du die Wahrheit erfahren musst.« Ihre Tante wich nicht nur ihrem Blick aus.
    »Welche Wahrheit?«
    »Die Wahrheit über dich.«
    »Auch über das, was mit mir geschieht?«
    »Möglicherweise auch darüber.«
    »Dann sag mir die Wahrheit!« Beatrice sprach ihre Worte mit Nachdruck.
    »Mein geliebtes Kind.« Angelas Stimme schwankte. »Ich könnte jetzt viele Worte verlieren. Aber keines kann dir nur annähernd erklären, was du verstehen musst.«
    »Ich muss?«
    »Ja, du musst. Es ist wichtig, dass du die Wahrheit erfährst. Sehr viel hängt davon ab.«
    »Ich muss?« Beatrice war sich gar nicht so sicher, ob sie es wollte. Das klang so furchtbar kompliziert, und ihre Welt war im Augenblick bereits verzwickt genug.
    »Du darfst dich nicht davon abbringen lassen, auf keinen Fall.«
    »Und deshalb müssen wir nach London? Ausgerechnet London?« Ihr wurde übel allein bei der Vorstellung, zurückzukehren in den dreckigen Moloch. Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke. »Das Studium war nicht der eigentliche Grund, warum ich nach London gegangen bin, oder?«
    »Ach…«, seufzte ihre Tante. Das war Antwort genug.
    Beatrice versuchte es noch einmal: »Was ist dort, was du mir nicht hier erklären kannst?«
    »Bei der Royal Bank of Scotland gibt es ein Bankschließfach auf deinen Namen. Dort ist alles hinterlegt, was du wissen musst. Mehr sogar, als ich weiß.« Sie fügte schnell hinzu: »Als ich wissen darf.«
    »Wer hat das Schließfach eingerichtet?«
    Angela strich sich durch ihre Locken. »Meine Schwester…«
    »Meine Mutter?«, presste Beatrice hervor.
    »Meine Schwester, deine Mutter, ja…«
    Mama!
    »… bevor sie uns verlassen hat.«
    »Meine Mutter ist bei einem Unfall gestorben.«
    »Das ist sie.«
    »Aber du redest, als habe sie gewusst, was passieren würde. Als hätte sie sogar gewusst, was mit mir geschieht.« Ihre Stimme überschlug sich. »Nimm es mir nicht übel, Angela, aber ich verstehe nicht. Ich verstehe kein Wort von dem, was du mir erklären möchtest. Und auch davon, was du mir nicht erklären darfst. Was ist los mit mir? Warum passiert das alles? Und was hat meine Mutter damit zu tun?«
    Beatrice fühlte sich unendlich hilflos, aber sie widerstand dem Drang zu weinen. Für heute hatte sie genug Tränen vergossen. Buck legte ihr eine Vorderpfote aufs Bein, eine Geste wie zur Beruhigung. Sie stieß die Luft aus ihren Lungen, streichelte dem Hund durch das dichte, struppige Fell. Sie entsann sich daran, wie er ausgelassen durch den Garten gesprungen war, durch die prächtigen Büsche und Beete.
    Angela lächelte wissend. »Buck wird dir helfen.«
    Tatsächlich war die Berührung des Hundes wie Balsam auf ihrer Seele. Allmählich beruhigte sie sich.
    »Wir werden uns morgen auf den Weg machen«, sagte Angela. »Dann wirst du alles verstehen.«
    Buck presste seine Schnauze gegen Beatrice’ Hand. Er wollte gestreichelt werden. Aber auch Beatrice genoss die Nähe des Bobtails. Der Hund, der beste Freund des Menschen.
    »Wenn du meinst«, sagte sie. Sie fühlte sich mit einem Mal sehr müde.
    »Es tut mir Leid«, sagte Angela. Ihre Worte erreichten Beatrice nur noch halb. Die Anstrengungen der letzten Tage machten sich bemerkbar. Sie verspürte keine Lust mehr, sich mit allem auseinander zu setzen. Wozu auch? Wenn sich morgen alles aufklären würde, bitte schön, dann sollte dies so sein. Morgen würde alles ein Ende finden.
     
     
    Berlin
     
    »Ganz genau«, sagte Carlos. Philip hörte mehr, wie der kleine Ganove grinste, als dass er es sah. »Wir hauen ab. Und zwar jetzt.«
    »Wie?«
    Ein schmaler Streifen Licht fiel durch das Fenster in die Zelle. Er reichte kaum, um die Hand vor Augen zu erkennen. Doch er genügte, um die gedrungene Gestalt auszumachen, die dort unruhig neben der Tür von einem Fuß auf den anderen trat. Auch die Haarfarbe war zu erkennen. Rotschopf.
    »Hauen wir ab«, meinte Carlos.
    Philip erhob sich schlaftrunken.
    »Geht’s noch langsamer?«, schimpfte der Polizist flüsternd. »Wollt ihr jetzt oder nicht? Ich kann hier nicht mehr lange dafür sorgen, dass…«
    Carlos grunzte. »Ist ja schon gut. Wir sind gleich weg.«
    »Oh Scheiße, da kommt jemand«, fluchte Rotschopf. Mit einem Satz sprang er aus der Zelle und drückte die Tür zu. Wie durch ein

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