Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
Vom Netzwerk:
du ihn nicht mitgenommen?«
    »Woher sollte ich wissen, dass du ‘nen Ruchsack dabeihattest?«
    Daran hatte Philip nicht gedacht. Er ließ den Kopf hängen.
    »Willst du was trinken?«
    »Einen heißen Tee!«
    Ken verschwand in die Küche und setzte das Wasser auf. Als er zurückkam, fragte er: »‘ne Tüte?«
    Vielleicht gar nicht so verkehrt. Ein Joint würde ihn runterbringen, ein bisschen entspannen. Kommissar Bergers Worte fielen ihm ein. Wusstest du, dass Drogen bei dauerhaftem Konsum aggressiv machen? So aggressiv, dass man sogar einen Mord begehen könnte. »Keine schlechte Idee«, sagte er.
    Ken griff in eine kleine Schatulle, die unter dem farblich zum Schalensessel passenden Sofa stand, zupfte ein Blättchen und Gras heraus und drehte den Joint. Er klemmte ihn zwischen die Lippen und entzündete ihn an einer der Kerzen auf dem Tisch. Tief sog er den Rauch ein, blähte seine Backen damit auf und stieß ihn nach einigen Sekunden in einer dichten Wolke wieder aus. Dann reichte er den Joint seinem Freund.
    Philip nahm einen Zug, wartete, bis der Geschmack seinen Gaumen kitzelte und entließ den Qualm.
    »Ich dachte, du bist im Knast?«, fragte Ken. Seine Stimme war sehr leise, von den sphärischen Klängen des Dr. Atmo fast verschluckt.
    »Woher weißt du das?« Es gab niemanden aus Philips Freundeskreis, der gestern Morgen mitbekommen hatte, dass er von der Polizei abgeführt worden war. Selbst Ken hatte sich nicht blicken lassen, sondern wie üblich auf Pille noch bis zum frühen Morgen im › Tresor‹ abgetanzt, während sein bester Freund in der Kombüse weich gekocht wurde.
    Ken beugte sich über die Sofalehne, kramte raschelnd in einem Stapel Papier und klatschte die gestrige Spätausgabe des Kurier auf den Tisch. Die kleinen Flammen der Kerzen hüpften unruhig in dem Luftzug. Die Meldung auf der Titelseite war nicht zu übersehen. Mörder von Kurier-Fotograf gefasst! Darunter ein wenig schmeichelhaftes Foto von Philip, noch mit langen Haaren. Na super, ganz Berlin hielt ihn jetzt für einen Killer. Und morgen würde eine weitere Schlagzeile zu lesen sein, diesmal mit einem neuen Bild von ihm, einem Polizeifoto: Geflohen!
    »Bist du abgehauen?«
    Philip biss sich auf die Lippe. »So würde man es wohl nennen.«
    Ken sagte keinen Ton.
    »Schwer zu begreifen?«
    »Naja, irgendwie schon.«
    »War auch nur ein Zufall.«
    »Ein Zufall? Oh Mann, das ist abgefahren.«
    »Schlimmer ist es, wenn man dich für einen Mörder hält.«
    Ihre Blicke begegneten sich. Eine Weile sagten sie nichts. Ken ging in die Küche und holte den Tee. Philip blieb ruhig, während er den Joint rauchte. Nur langsam entfaltete die Droge ihre Wirkung. Ken musterte ihn. Überlegte er, ob er wirklich einen Mörder vor sich hatte?
    »Was soll dieser Blick?«, fragte Philip.
    »Nichts«, erwiderte Ken. Aber das war nicht die Wahrheit. Er war kein guter Lügner. Auch das hatten sie gemein. »Erzähl mir, was los ist!«
    »Das würdest du mir nicht glauben.«
    Entrüstet griff Ken nach dem Joint. »Ey«, sagte er, bevor er rauchte. »Wer sollte dir eher glauben können als ich?«
    Philip lächelte. Da war er wieder, Ken, der Berlin-Checker. Weil Philip nicht antwortete, fragte er: »Und?«
    »Was?«
    »Hast du ihn ermordet?«
    »Ken!«, rief Philip.
    »Ist schon gut, war doch nur ein Scherz.«
    »Für solche Scherze habe ich gerade echt keinen Nerv.«
    Ken lachte. »Reg dich ab. Ich weiß doch, dass du keiner Fliege was zuleide tun kannst.« Er winkte ab. »Ausgerechnet du, pah!« Dann legte er den Kopf schief. »Obwohl, wenn ich mir dich so mit der Glatze anschaue…«
    »Ken!«
    »Ist okay, ist okay.« Er verschluckte sich und röchelte. »Du und ein Mörder. Bullshit!«
    Ein leises Sirren mischte sich unter die chillige Musik. Wer das Album des Frankfurter Elektroniktüftlers nicht kannte, hätte die Türklingel nicht registriert.
    »Wer ist das?«, rief Philip alarmiert.
    »Die Bullen sind es nicht.« Ken sprang auf. »Keine Panik.« Er reichte seinem Kumpel die letzten drei Zentimeter der Tüte. »Wird wohl meine Schwester sein.«
    Mit einem Mal war das Dope aus Philips Schädel wie weggeblasen. »Chris?«, fragte er beklommen.
    »Ich wüsste nicht, dass ich noch mehr Geschwister hätte.«
    Philip verdrehte die Augen.
    »Tut mir Leid«, meinte Ken. »Sie hatte mich vorhin angerufen, sie war ziemlich aufgelöst, konnte nicht schlafen und suchte jemanden zum Quatschen. Ich könnt ja nicht wissen, dass du fluch…« Er brach ab und

Weitere Kostenlose Bücher