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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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ihr nachlaufen, aber mehr als ein Flüstern brachte er nicht zustande.
    Sie packte ihre Jacke, schlüpfte in die Stiefel, und Sekunden später knallte die Tür hinter ihr ins Schloss.
    »Chris«, wiederholte er.
    Ken durchbrach zaghaft die Stille: »Sorry…«
    »Piss die Wand an«, stöhnte Philip.
    Ken ging zum Fenster und zog das Rollo hoch. Es blieben noch ein paar Stunden bis zur Dämmerung, doch im Laternenlicht war der Schnee deutlich zu erkennen, wie er in dichten Schwaden herabsegelte. Frühaufsteher stapften mit sichtlicher Mühe durch die weißen Berge, die sich am Boden türmten.
    Ken kratzte sich die Stirn. »Was hast du jetzt vor?«
    »Ich muss ins Jüdische Krankenhaus.«
    »Ist was mit dir?«
    »Da liegt meine Großmutter.«
    »Du hast wirklich eine Oma?«
    »Ich hab’s gestern erfahren.«
    »Heftig. Und was machst du, wenn du sie gefunden hast?«
    »Hoffen, dass sie mir helfen kann.«
    »Wobei?«
    »Die Polizei glaubt tatsächlich, ich wäre ein Mörder. Aber ich habe niemanden umgebracht.« Ich habe jemanden vor dem Tod gerettet. Aber das sagte er nicht. Er sagte: »Irgendetwas geht mit mir vor. Ich weiß nicht, was. Aber ich muss einen Weg finden, es herauszufinden. Vielleicht kann ich dann auch meine Unschuld beweisen.«
    »Und du glaubst, deine Oma, die du noch nie im Leben gesehen hast, kann dir dabei helfen?« Ken war die Skepsis ins Gesicht geschrieben. Philip konnte es ihm nicht verübeln, seine Geschichte musste sich anhören wie ein schlechter Krimi. Trotzdem war er davon überzeugt. Er nickte.
    Ken meinte: »Das klingt… abgefahren.«
    Philip sank zurück in den Sessel. »Nein, Ken, das ist alles andere als abgefahren. Aber wenn ich dir erzählen würde, was mir in dieser Woche alles passiert ist – das wäre abgefahren.«
    Ken nestelte am Reißverschluss seines tuntigen Joggers. »Ich glaube, ich möcht’s gar nicht wissen.«
    »Keine Angst, ich habe nicht vor, dir davon zu erzählen. Du würdest mir eh kein Wort glauben. Aber eines kannst du mir glauben.«
    Philip stockte, schaute seinen Kumpel an. Unter dem Trainingsanzug trug er ein ebenso enges T-Shirt. Vielleicht war er tatsächlich schwul.
    »Ich wäre dir verdammt dankbar, wenn ich mir ein paar warme Klamotten von dir ausleihen dürfte.«
     
     
    London
     
    Paul wollte sich etwas Passenderes als seine Shorts und das T-Shirt überstreifen. Seine Bekleidung schien ihm nicht angemessen, um die schlimme Nachricht, die der Priester ihm ohne Zweifel überbringen würde, entgegenzunehmen. Die Hand des Geistlichen fegte ungeduldig durch die Luft, als Paul sich hinauf ins Schlafzimmer begeben wollte. Er sagte: »Bleiben Sie. Ich möchte nicht lange stören. Ich möchte nur, dass Sie mir einige Fragen beantworten.«
    Nur ein paar Fragen? Paul schöpfte Hoffnung. Vielleicht waren seine Sorgen unbegründet. Beatrice war gar nichts passiert. Aber was wollte dann der Priester von ihm? Er blieb im Wohnzimmer und musterte den Mann. Trotz seiner gesunden Bräune wirkte er erschöpft. »Ich bin Cato, Sonderbeauftragter des Vatikans«, stellte er sich vor. Er machte keine Anstalten, sich aufs Sofa zu setzen. »Angehöriger der päpstlichen Kongregation, um genau zu sein.«
    »Nehmen Sie es mir nicht übel«, erwiderte Paul, »aber ich verstehe nicht ganz. Was hat…«
    »… Ihre Freundin an sich, dass der Vatikan um 6 Uhr morgens bei Ihnen klingelt?« Cato lächelte milde. »Sie würden staunen, wie oft wir diese Frage zu hören bekommen. Aber ich werde Ihnen antworten. Sehen Sie, an uns ist die Kunde von einem wunderbaren Vorfall herangetragen worden.«
    »Sie meinen ein Wunder?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen, wir können Sie nicht daran hindern. Aber Sie verstehen hoffentlich, dass wir diesen Begriff mit Vorsicht genießen. Zu schnell wird heute von einem Wunder gesprochen.« Seine Hand beschrieb einen Bogen, der das Zimmer, genauso gut aber auch London oder die ganze Welt hätte einschließen können. »Selbst ein neuer High-Tech-Chip wird heute als ein Wunder gepriesen. Aber ist er das?«
    Paul schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
    »Sehen Sie. Deshalb müssen wir vorsichtig damit umgehen.«
    »Aber Sie glauben, dass…«
    »Unser Geschäft ist der Glaube«, warf der Pater ein und wieder lächelte er. Aber es war ein müdes Lächeln. »Man hat uns von Ihrer Freundin erzählt und dem, was ihr widerfahren ist. Ihrem plötzlichen Tod und der…«, er hüstelte, »… Auferstehung.«
    Leise sagte Paul: »Ich hatte Recht.«
    »Das

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