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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Diele verstummte.
    Angela lächelte, aber es wirkte aufgesetzt. Sie schlurfte über die Diele, und kurz darauf war das Rauschen der Dusche zu hören.
    Buck hatte sich keinen Deut bewegt, lag noch immer neben Beatrice’ Bett. Sie streckte ihren Arm aus und streichelte den Rüden. Sein Schwanz klopfte freudig auf den Teppich.
    Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen, das Zimmer, in dem sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hatte. Sie betrachtete die Bilder an der Wand, die sie als ausgelassenes Mädchen am Strand zeigten. Ihre nackten Füße versanken im Sand, während ihr Haar vom Wind emporgewirbelt wurde, wie eine Fahne, die den vorbeituckernden Schiffen zum Abschied winkte. Sie stellte fest, dass sie mit ihren langen schwarzen Haaren eine Schönheit gewesen war. Auf einem der Fotos erkannte sie im Hintergrund Lindisfarne Castle, ein zauberhaftes Postkartenmotiv.
    Meine Kindheit muss prächtig gewesen sein, dachte sie nicht zum ersten Mal seit ihrer Heimkehr. Sie entdeckte auf den Bildern kein Zeichen von Verzweiflung oder Angst. Jedes der Fotos zeigte sie ungezwungen und fröhlich mit strahlendem Gesicht. Keine Spur von einem Geheimnis. Selbst das Mauerwerk der Burg, obwohl von den Gezeiten zerfressen, strahlte hell und stolz im Sonnenschein.
    Wenn sie ehrlich war, drängte es sie nicht zu erfahren, was der Grund für die seltsamen Ereignisse um sie herum und ihre Amnesie war. Die schlichte Schönheit von Strand und Meer, die Ruhe im Cottage mit ihrer Tante und mit Buck, alles das war verlockend, verführerisch genug, all die Dinge zu vergessen, die ihr widerfahren waren. Wozu nach London, wenn es ohnehin nicht ihr Wunsch gewesen war, dort zu leben?
    Mochte der Sturm draußen toben und die Verbindung zum Festland abschneiden, jetzt war es ihr nur recht. So unbezwingbar der Wunsch gewesen war, alles über sich zu erfahren, jetzt hatte sie es überhaupt nicht mehr eilig damit. Sie wollte auf Lindisfarne bleiben, das Inselleben genießen, so wie sie es bereits in ihrer Kindheit und Jugend getan hatte.
    Sie legte sich aufs Kissen zurück und schloss die Augen. Der Regen wirbelte gegen das Fenster, der Wind heulte unterm Dach. Auch als Beatrice wieder einschlief.
     
     
    Berlin
     
    »Verdammt, stehen bleiben!«, ertönte es erneut, diesmal noch lauter. Philip zog den Kopf zwischen die Schultern, als könnte er sich auf diese Weise unsichtbar machen. Einige der Passanten hielten in ihrem geschäftigen Treiben inne. Mit einem schnellen Blick sondierte Philip die Lage. Dank Kens U-Bahn-Theorie hatte er größeren Menschenansammlungen während der Fahrt erfolgreich ausweichen können. Doch wollte er sich auch jetzt, endlich wieder am Tageslicht, nicht blindlings in die Menge stürzen. Wohin aber dann?
    »Bleibst du wohl stehen!«
    Als Fluchtweg blieb ihm nur die Straße, die den Hermannplatz wie einen Ring umgab. Auch keine gute Idee, verwarf Philip. Den Autos drehten die Reifen durch, Transporter schlitterten ziellos über den matschigen Asphalt. Die Räumungsdienste waren mit dem plötzlichen Wintereinbruch hoffnungslos überfordert.
    Philip blieb stehen und sah zurück.
    Zwei Polizisten stürmten auf ihn zu. Sie waren acht, neun Meter von ihm entfernt und sprangen an den Menschen mit ihren Einkaufstüten vorbei. Kein leichtes Unterfangen, denn auch den Beamten machte das verschneite Straßenpflaster zu schaffen. Sie rempelten eine junge Frau an. In ihren Pumps glitt sie auf einer gefrorenen Pfütze aus. Der beherzte Griff eines Händlers bewahrte sie vor einem schmerzhaften Sturz.
    Philips Blick irrte umher. Die beiden Gesetzeshüter waren noch drei, vier Meter von ihm entfernt. Dick bepackte Menschen starrten ihn an. Wintermäntel, Nerze, Einkaufstüten. Kaum eine Chance zu entkommen. Wohin er sich auch wendete, er würde irgendjemanden berühren und an den Visionen, die ihn übermannten, jämmerlich zu Böden gehen. Die Alternative war, sich Hals über Kopf in den chaotischen Verkehr zu stürzen – glatter Selbstmord.
    Nur noch zwei Meter. Resigniert zog er die Hände aus der Jackentasche, die Arme fielen herab. Er ergab sich den Beamten. Verhaftet zwischen Obst und Gemüse. So würde auch die Schlagzeile im Kurier lauten.
    Die beiden Uniformierten streckten die Hände nach ihm aus. Philip erwartete ihren energischen Griff und mit ihm die Bilder, die sich vor seine Augen schieben würden, ohne dass er eine Möglichkeit zur Gegenwehr hatte.
    Sie verfehlten ihn. Nein, sie griffen nicht daneben. Sie bekamen

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