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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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weil sie Tag für Tag diese Arbeit tat. Keiner sagte etwas, wenn sie sich in der Küche warmes Wasser für den Fußboden holte, keiner sagte, sie sei tüchtig, weil sie den Spucknapf ausleerte. Der Spucknapf!
    Wie sie den haßte! Wie sie sich jedesmal sträubte, wenn sie ihn hinaustragen und waschen und spülen mußte! Der Spucknapf war das schlimmste von allem. Er war der Erzfeind in Person.
    Dann gab es Wäsche zu waschen und verschmutzte Instrumente zu säubern. Es gab Gerüche und eklige Dinge den ganzen Tag. So also sah er aus, der romantische Beruf der Sprechstundenhilfe!
    Vormittags kamen die Patienten; sie blieben weit über die öffentliche Sprechstunde hinaus. Anschließend machte Halfdan Krankenbesuche. Sobald er gegangen war, mußte Eirin sich über die Kartothek machen. Diese Arbeit mochte sie gern. Sie war an Büroarbeit gewöhnt und faßte schnell auf. Im Krankenjournal und unter den Kartothekkarten herrschte eine mustergültige Ordnung. Aber schon hieß es wieder, die grobe Leinenschürze vorzubinden und an die Wäsche und das Aufräumen und das Saubermachen zu gehen.
    Eigentlich sollten sie um fünfzehn Uhr essen, aber daraus wurde nie etwas. Halfdan eilte zu seinen Kranken, auf dem Rad, im Motorboot oder mit Pferd und Wagen. Autostraßen gab es nicht. Er rumpelte und ratterte von dannen, er zog Zähne und beförderte
    Kinder in diese Welt, pinselte Hälse und spülte Ohren aus, er schnitt und verband und arbeitete bis zu achtzehn Stunden am Tag.
    Das Mittagessen mußte warten und warten. Tante Bertha bekam eine Sorgenfalte zwischen den Brauen. Sie schlug sich mit dem altmodischen Küchenherd herum, mit nassem Holz oder mit dem Primus und der Hexe. Wenn sie dabei ihrer elektrischen kleinen Küche in Oslo, in Apfelgrün und Beige gehalten, wehmütig gedachte, so merkte es keine Seele, denn Tante Bertha klagte nie. Jedenfalls konnte sie immer in dem Augenblick, wenn Halfdan nach Haus gestürzt kam, gutes und wohlschmeckendes Essen auf den Tisch bringen. Es kam vor, daß er zu essen begann, wenn bereits die ersten schweren Stiefel zur Nachmittagssprechstunde ins Wartezimmer polterten. Dann verschlang er das Essen, ohne zu merken, was er aß, sagte: „Vielen Dank, entschuldigt mich“, und weg war er wieder. Fand er wirklich einmal eine kleine Atempause zwischen zwei Patienten, dann stürmte er herein und goß eine Tasse Kaffee herunter. Eine Minute später war er wieder im Sprechzimmer mit den abgenutzten Fichtenholzmöbeln, dem Waschständer und dem Toiletteneimer und all den ekligen, unsauberen Dingen.
    Halfdan magerte zwar nicht ab. Dafür paßte Tante Bertha zu gut auf ihn auf. Aber er sah blaß und müde aus. Nach Verlauf eines Monats konnte Eirin ihn fast nicht wiedererkennen. Seine frische Hautfarbe verschwand, das Haar wurde stumpf. Vielleicht kam es daher, daß er bis in die späte Nacht hinein aufsaß und Urin und Eiter und andere sonderbare Dinge auf kleinen Glasplatten untersuchte. Über seinem Kopfe brannte die Öllampe, und auf dem Schreibtisch hatte er eine andere Lampe stehen, die er mit nervöser Hast ganz dicht ans Mikroskop heranzog.
    Er bekam rotgeränderte Augen und war hin und wieder reizbar. Tante Bertha blieb ruhig dabei. Eirin aber schaute ihm mit bangen Augen nach. Dies war ein Halfdan, den sie nicht kannte.
    Er brachte ihr bei, wie sie die Präparate färben mußte, die unters Mikroskop gelegt werden sollten. Das entlastete ihn. Und so etwas machte Eirin gut. Es erforderte Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, es war der Büroarbeit verwandt. Fast konnte sie guter Laune werden, wenn sie in fleckenloser Schürze und mit der kleinen weißen Kappe im „Verlies“ stand und auf ihrem kleinen Arbeitstisch lauter kleine Glasplättchen ausgebreitet hatte. Er sollte nie mehr anders heißen als das „Verlies“ - der kleine Raum, wo Eirin sich über Uringläsern erbrach und ihre zierlichen Buchstaben in das große Journal einschrieb.
    Auf einem Regal standen die Flaschen mit Karbolfuchsin, Malachitgrün, Methylviolett und wie sie alle hießen. Unter ihnen kam sich Eirin wie eine wichtige und unentbehrliche Persönlichkeit vor. Sie färbte und ordnete, hielt die Platten gegen das Licht und paßte auf, daß die Namensschildchen unter den Platten nicht verwechselt wurden.
    Wenn die Sprechstunde abends zu Ende war und Eirin die abscheulichen Fußböden zum zweiten Mal gewischt hatte, wenn die Zeitschriften im Wartezimmer wieder hübsch auf einem Haufen zusammenlagen und wenn Petroleum in die

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