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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Halfdan herum und zwängte sich zwischen ihn und die Tischkante, so daß sie auf seinem Knie saß.
    „Ja, aber, du! Ich bin nicht so tüchtig, wie du glaubst. Denn weißt du - “, sie schluckte, aber jetzt mußte es gesagt werden, sie mußte ehrlich sein, es trieb sie plötzlich, alles zu beichten -, „weißt du, ich finde die Arbeit einfach ekelhaft.“
    Er lachte und sah ihr liebevoll ins Gesicht.
    „Liebste Eirin, versprich mir, daß du es niemand weitersagst, dann will ich dir etwas ins Ohr sagen: Das finde ich auch!“
    „Du??“
    „Ja, ich! Ich fand dies Magenauspumpen heute richtig widerlich, wenn du es wissen willst. Und wenn ich dein Amt hätte, jeden Tag den Spucknapf auszuleeren, dann glaube ich, ich würde speien.“
    „Aber Halfdan - und das sagst du?“
    „Ja, aber das bleibt unter uns, hörst du? Ich muß ja meine Arbeit tun, es hat keinen Zweck, seinen Empfindlichkeiten nachzugeben, das weißt du aus Erfahrung. Es gilt, sich mit seiner Arbeit anzufreunden, so ekelhaft sie einem auch sein mag.“
    „Ja, aber, Halfdan - du hast doch selbst deinen Arztberuf gewählt!“
    „Ja, selbstredend, und es gibt nichts, was ich lieber sein möchte. Ich liebe diesen Beruf über alles, verstehst du. Aber natürlich gibt es einen Haufen widerwärtiger Dinge dabei, das ist klar. Die muß man eben mitnehmen. Es gibt wohl kaum einen Beruf, bei dem alles nur angenehm ist.“
    Eirin gab keine Antwort. Sie strich Halfdan übers Haar. Jetzt hatte sie zum zweiten Mal an diesem Abend zu hören bekommen, daß sie sich mit ihrer Arbeit anzufreunden habe. Natürlich mußte sie das. Daß ihr das nicht früher klargeworden war! Da war sie herumgelaufen, todmüde und gekränkt, und hatte das Wichtigste fast übersehen: daß sie mit dem Mann zusammenarbeiten müsse, den sie liebte! Was hatte sie denn selbst in Oslo gesagt: „Denkt ihr vielleicht, ich bin so ein Zierpüppchen, das nicht ordentlich zugreifen kann?“ Jetzt wollte sie ihnen mal zeigen, daß sie es konnte, o ja! Sie sprang auf und schüttelte die Locken, eine Angewohnheit von ihr, wenn sie eifrig und energisch wurde.
    „Du, Halfdan! Weißt du, was du tun würdest, wenn du wirklich vernünftig wärst?“
    „Nein, das ahne ich nicht.“
    „Du würdest mich überlegen und mir was mit dem Rohrstock geben, denn das habe ich verdient. Aber von jetzt ab werde ich mich so benehmen, daß ich es nicht verdiene. Bitte, laß mich irgend etwas für dich tun! Dann bist du schneller fertig, und wir können es uns nach dem Abendbrot gemütlich machen!“
    Halfdan drückte sie an sich und küßte sie. „Du hast recht, liebes Mädchen. Und wenn du mir hilfst, bekommst du nachher noch einen Kuß.“
    Gleich darauf saß Eirin neben Halfdan und machte nach seinem Diktat Notizen. Nach einer Stunde waren sie fertig. Halfdan streifte seinen Kittel ab, wusch sich die Hände und fuhr sich übers Haar.
    „So, Eirin, jetzt wollen wir versuchen, ein kleines Weilchen Mensch zu sein. Wenn ich mir’s überlege, dann habe ich einen Bärenhunger. Glaubst du, Tante Bertha hat daran gedacht, ein bißchen Schinken in die Omelette zu tun? Oder gibt’s eingedeckten Spinat?“
    Tante Bertha sagte bei Tisch nicht viel. Aber sie sah die lächelnden, frohen Gesichter. Müde waren sie wohl beide, aber sie strahlten vor Glück. Tante Bertha durchschaute vieles, ohne zu fragen. Auch jetzt verstand sie - und war glücklich.
    Nach dem Abendbrot zogen sie das kleine, niedrige Sofa vor den Ofen, machten die Ofentür auf und taten so, als säßen sie am offenen Kamin. Tante Bertha machte sich in der Küche zu schaffen und klapperte mit Gläsern und Glastellern.
    Es gab Rotweingrog und Kekse. Aus dem Radio erklang gedämpfte Musik.
    „Du, Halfdan! Wenn wir Hochzeit machen, wollen wir uns dann als Hochzeitsgeschenk einen Kamin wünschen?“
    „Ich hatte an einen Teppich gedacht“, lachte Halfdan. „Aber von mir aus gern! Sagen wir also, einen Kamin.“
    „Ich möchte den Fußboden lieber streichen“, sagte Eirin. „Ich kann das ganz prächtig allein, glaubst du? Ich habe zu Hause die ganze Küche gestrichen - ich meine, in Oslo. Entschuldige, bitte, ich habe mich versprochen. Zu Hause ist ja jetzt nur noch hier. Hier bei dir.“
    Sie zog die Beine aufs Sofa hinauf und kuschelte sich in seinen Arm.
    Er sah auf ihr Gesicht hinunter. Unter den zerzausten Locken glänzten ihre Augen im Feuerschein des Ofens.

6
    Halfdan hatte in früher Morgenstunde einen Krankenbesuch gemacht. Nach einem eiligen

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