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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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sie über Halfdans Paket, das sie weiter auszupacken vergessen hatte.
    Als sie es aufhob, rutschte der Deckel von der Schachtel. Eine hellbraune Pelzjacke fiel heraus. Eirin bückte sich und hob die Tacke auf. Zögernd schlüpfte sie hinein. Wie behaglich das war! Nachdenklich strich sie über das weiche Fell. Dann knöpfte sie die Jacke am Halse fest und ging von neuem auf und ab - auf und ab -Jetzt mußte er schon auf dem Nachhauseweg sein. Herrgott, wie würde sie aufatmen, wenn sie seine Schritte draußen im Flur hörte! Schon vorher mußte die Tür knarren. „Lieber Gott, schenke ihn mir zurück, ich werde niemals wieder - “
    Sie horchte. Plötzlich stürzte sie zur Tür und riß sie auf. Ein eisiger Windstoß fuhr ihr ins Gesicht und nahm ihr den Atem. Es war nichts.
    Also mußte sie ihre Wanderung durch das Zimmer wiederaufnehmen - auf und ab -
    Und dann diese Finsternis! Daß man sich nicht einmal auf den Morgen freuen konnte! Es wurde ja hier niemals Tag. Ein paar Stunden vielleicht, gegen Mittag, konnten sie die Lampen löschen. Was war das für ein Leben!
    Sie wanderte ins Wohnzimmer, ins Eßzimmer, ins Sprechzimmer. Sie stand vor dem Schreibtisch und starrte die Kleinigkeiten an, die darauf lagen, als sähe sie alles zum ersten Mal. Dort hing Halfdans weißer Mantel. Einen Augenblick drückte sie ihr heißes Gesicht in das kühle Leinen. Sie strich zärtlich über den Tischrand, sie berührte den Rezeptblock, den Briefbeschwerer, das Papiermesser, nur um etwas zu fühlen, das ihm gehörte.
    Dann ging sie wieder hinaus.
    Die Uhr schlug viermal. Vier! - Jetzt war er seit zehn Stunden unterwegs. Zehn endlose, einsame Stunden. Zehnmal sechzig -sechshundert lange Minuten qualvollen, ängstlichen Wartens.
    Eirin konnte nicht mehr weinen. Sie hatte sich ausgeweint, sie war leer.
    Wieder zum Fenster hin - an der Gardine gezupft - das Bild gerade gerückt, das schief hing. Ihre Hand glitt automatisch in die große, flache Holzschale, in die sie die Post zu legen pflegten. Sie war voller Weihnachtskarten, die sie an diesem Abend zusammen lesen wollten.
    Eirin hob die Schale auf und setzte sich damit hin. Vielleicht konnte sie ein paar Minuten vergessen. Vielleicht kam Halfdan inzwischen.
    Es waren Karten mit Weihnachtsschnee und Glitzerstaub, Schneelandschaften, Hochgebirgsansichten, Skibildern. Freunde und Freundinnen aus dem Süden wünschten frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr - wenn die wüßten! -
    Da war auch eine Karte von ganz anderer Art - an Halfdan gerichtet. Palmen waren darauf abgebildet, tiefblauer Himmel und Orangenbäume. Die Rückseite war dicht beschrieben. Eirin las sie ohne Gewissensbisse. Sie und Halfdan lasen immer ihre offenen Karten. In der Regel waren sie an sie beide gerichtet.
    Zuerst kam eine Frage fachlicher Art: ob Halfdan sich erinnern könne, aufweiche Abhandlung sich Professor L. in seiner letzten Vorlesung bezogen hatte. Und weiter: „Ich werde Weihnachten hier unten in Monte Carlo feiern. Es ist herrlich, unter Palmen und Orangenbäumen zu wandeln, die Sonne zu genießen und an Euch da oben dicht am Nordpol zu denken. Nach Weihnachten gehe ich an die Sorbonne. Du hörtest vielleicht, daß mein Onkel in Tromsö gestorben ist, kurz nachdem ich Dich auf dem Schiff getroffen hatte. Ich bin also ein wohlhabender Mann geworden. Die Umstellung fiel mir nicht sonderlich schwer. Laß es Dir gutgehen, und grüß Deine
    Verlobte! Oder ist sie jetzt Deine Frau? Herzlichen Gruß und fröhliche Weihnachten Euch beiden. Fredrik B.“
    Monte Carlo. Sonne. Blauer Himmel. Orangenbäume! Leichte helle Kleider. Sekt in glitzernden Kühlern. Tanz im Kasino. Reitausflüge. Tennis. Duftende Rosen. Blaues Mittelmeer!
    Eirin fröstelte es in der Pelzjacke.
    Plötzlich Schritte draußen! Jemand trampelte Schnee von den Stiefeln. Sie sprang auf und lief zur Tür.
    Alles, was sie sagen wollte, war mit einemmal vergessen. Noch vor einer Stunde hätte sie sich vor Halfdan auf die Knie werfen und ihn um Verzeihung anflehen können. Hätte er sie abgewiesen - sie würde ihm dafür gedankt haben.
    Aber es gab Menschen, die unter einem azurfarbenen Himmel am Mittelmeer entlanggingen! Es gab Menschen mit Sonnenfunken in den Augen und einer warmen, verschleierten Stimme. Es gab Frauen, die mit reichen, frohen, glücklichen jungen Männern verheiratet waren - Frauen, die am Weihnachtsabend nicht allein zu sitzen brauchten.
    Sie hörte seine Schritte im Flur. Das Herz schlug ihr bis in den Hals hinauf.
    Da

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