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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Kinder da sind. Ja
    - und dann verteilen wir die Geschenke. Du mußt Verse für die Pakete machen, denn das gehört dazu. Anschließend essen wir Schweinsrücken und Reisbrei mit einer Mandel drin und trinken dazu Rotwein - und hinterher gibt’s Äpfel und Nüsse und Cherry und was nicht alles -, ach, Halfdan, ich freue mich ja so sehr!“
    Halfdan antwortete nicht. Lächelnd strich er Eirin über das Haar. Es tat so gut, ihren Kopf an seine Schulter zu drücken und dabei einen Augenblick die Augen zu schließen. Er war abgearbeitet und müde. Und deshalb fragte er sich, ob so ein Programm zum Weihnachtsabend wirklich angebracht war. Ihm wurde plötzlich bewußt, daß er Eirins große, kindliche Freude nicht teilen konnte. Er besaß nicht ihr Temperament, nicht ihre heitere Gabe, in solchen Dingen so aufzugehen. Am liebsten würde er ganz still sitzen, hier im Sofa vor dem Feuerschein schlafen - schlafen, schlafen, mit Eirins Kopf an der Schulter.
    Es zuckte in seinem Augenlid. Er hatte es schon seit mehreren Wochen gespürt. Sicher war er überanstrengt. Dumm vielleicht, den ganzen Abend über diesen Tuberkulinproben zu sitzen. Aber es gab weit und breit kein Laboratorium, wohin er sie hätte schicken können - und untersucht mußten sie werden. Er konnte dem Patienten nicht einfach sagen, es sei nur ein Anflug von Bronchitis, wenn er seiner Sache nicht ganz sicher war.
    Er seufzte. Wenn er wenigstens einen kleinen Röntgenapparat gehabt hätte und eine gelernte Laborschwester! Wie sollte das weitergehen, wenn er noch lange die Arbeit von zwei Menschen erledigte?
    Da sollte er nun noch Verse für Weihnachtsgeschenke machen! Dabei hatte er noch nicht einmal Zeit gehabt, auch nur a0 Weihnachtsgeschenke zu denken! Wenn Tante Bertha sich nicht erbarmt hätte, wer weiß, ob er überhaupt ein Geschenk für Eirin gehabt hätte. Sie war eines Tages, während Eirin beim Krämer war, zu ihm hereingekommen und hatte ihn daran erinnert, daß die Zeit hinginge, und wenn er etwas aus dem Süden geschickt haben wolle, dann...
    Er hatte Tante Bertha um Rat gefragt. Und gestern war das große Paket vom Kürschner gekommen - ein Karton mit einer schönen, weichen, warmen Rehkitzjacke für Eirin.
    Aber jetzt war er so müde, so unsagbar müde.
    Eirin sah reizend aus, wie sie da in der Tür stand, in einem fußfreien, faltigen schwarzen Samtkleid mit einer alten, vergilbten Spitze um den Hals. In der Hand hielt sie einen dreiarmigen Leuchter mit gelben Honigkerzen.
    Ihre Wangen glühten, die Augen leuchteten. Ihre schwarzen Locken schimmerten im Schein der Kerzen.
    Halfdan war aufgesprungen und starrte sie an.
    „Eirin - “
    Sie waren allein im Zimmer, allein mit dem Weihnachtsbaum, dessen Lichter noch nicht brannten. Tante Bertha war in der Küche und filterte Kaffee. Eirin sollte nur die schweren Leuchter auf das Klavier stellen. Dann war in dem Zimmer alles fertig. Und jetzt stand sie da, ein Bild strahlender Jugend und vollkommener Schönheit.
    Halfdan fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. In diesem Augenblick wurde ihm bewußt, daß seine Arbeit ihn blind zu machen begann gegen alles, was sonst noch um ihn herum vorging. Er schalt sich einen unverbesserlichen Egoisten und schämte sich. Seit Wochen hatte er für dieses liebenswürdige Menschenkind kaum ein Auge, kaum ein gutes Wort gehabt!
    Er trat zwei Schritte auf sie zu, nahm ihr den schweren Leuchter aus der Hand, bog ihren Kopf zurück und küßte sie.
    „Mein wunderbares kleines Mädchen!“
    Der Baum war angezündet, der Kaffee getrunken. Im Radio sang ein Kinderchor „O du fröhliche“.

7
    Die Holzscheite im Ofen prasselten. Im Eßzimmer stand der Tisch gedeckt mit dem Weihnachtsläufer und roten Kerzen. Tante Bertha hatte - eine kleine Schwäche von ihr - Räucherwerk auf den Ofen gelegt. Weihnachtsstimmung lag über dem Haus, füllte die Zimmer und drang tief in die Herzen der drei Menschen, die nachdenklich in den Lichterschein schauten.
    Tante Bertha hatte noch immer das eine oder andere zu tun. Eirin und Halfdan waren ein paar Minuten für sich allein. Sie gaben sich der Stille hin und blinzelten versonnen zu den aufflackernden Kerzen hinüber.
    „Eirin, was, meinst du, werden wir im nächsten Jahr um diese Zeit machen?“
    Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. „Was glaubst du?“ Halfdan lachte.
    „Ja - wenn alles so kommt, wie ich es mir denke, dann heiraten wir im nächsten Monat.“
    „Dann sind wir nächste Weihnachten vielleicht zu dritt, eine

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