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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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richtige Familie“, sagte Eirin lächelnd. „Ich wünschte, das erste Kind war’ ein Junge.“
    „Wir nehmen es artig in Empfang, auch wenn es ein Mädchen ist“, meinte Halfdan.
    Tante Bertha kam wieder herein. Ein verheißungsvoller, leiser Hauch von Schweinebraten und Sauerkraut schwebte hinter ihr drein.
    Eirin erhob sich. „Wollen wir jetzt die Geschenke verteilen? Ich bin nun lange genug brav gewesen.“
    Die beiden andern lachten. Eirin hockte sich neben dem Baum nieder und zog ein langes Paket hervor. Das Rascheln von Papier vermischte sich mit dem Sausen des Windes, der in heftigen Stößen durch den Schornstein pfiff, so daß das Haus in allen Fugen ächzte.
    „Scheußliches Wetter“, sagte Tante Bertha. „Für Eirin von Halfdan“, las Eirin laut und riß hastig an dem roten Zellophanband.
    Da klingelte es an der Haustür. Die große Glocke im Flur schrillte durch das stille Haus.
    Sie wechselten alle drei einen Blick. Eirin blieb auf dem Fußboden sitzen, das Paket im Schoß. Sie vergaß auszupacken. Halfdan erhob sich und ging hinaus.
    Die beiden Zurückbleibenden sagten kein Wort. Aber Eirins braune Augen hatten einen bangen, gespannten Ausdruck angenommen.
    Tante Bertha durchfuhr der Gedanke, wie oft wohl Eirin noch an Halfdans Seite in eine solche Situation kommen, wie oft wohl noch künftig ein solcher Abend von der schrillen Glocke gestört werden würde? Wie viele Stunden würde Eirin mit Warten verbringen, wie oft würde sie hier in diesem Zimmer umherwandern und aus dem Fenster schauen?
    Eirin kniete auf dem Fußboden, von dem wogenden schwarzen Samtrock eingerahmt. Das halbgeöffnete Paket entglitt ihr. Sie hatte draußen vom Flur ein paar Worte aufgefangen. Jetzt hörte sie Schritte. Das war Halfdan. Er ging ins Sprechzimmer hinüber.
    Sie horchte mit offenem Munde.
    Jetzt trat er an den Tisch, auf dem die Instrumententasche lag. Jetzt holte er eine Spritze aus dem Sterilisator. Nun zog er die mittlere Schublade des Schreibtisches auf - Eirin kannte das Knacken der Schublade. Darin lag die Tasche mit den Entbindungsinstrumenten.
    Da sprang sie auf und stürzte zur Tür. Im selben Augenblick wollte Halfdan eintreten. Auf der Schwelle stießen sie zusammen. „Halfdan! Du gehst jetzt nicht fort!“
    Die Stimme kippte über vor Angst.
    „Ich muß, Eirin, Elvina in Norderpollen - “
    „Ganz bis nach Norderpollen, Halfdan! Und in diesem Wetter! Dann mußt du ja mit dem Boot weg - “
    „Ja, das muß ich. Lars fürchtet, daß sie es nicht schafft, wenn ich nicht - “
    „Ist denn nicht Jonsine auf dem Hang bei ihr?“
    „Jonsine wagt nicht mehr, allein zu bleiben. Es geht jetzt schon seit sechzig Stunden. Jonsine läßt mir sagen, es eile.“
    „Aber Halfdan - Halfdan -, es ist doch Heiligabend -!“
    „Wir haben viele Heiligabende vor uns, Eirin. Willst du, daß dies das letzte Weihnachten für Elvina wird?“
    „Es gibt Tausende von Frauen, die nur eine Hebamme haben und auch durchkommen! Aber sie muß natürlich einen Arzt haben - an einem Weihnachtsabend! Natürlich muß sie sich interessant machen! Ist es denn für Elvina schlimmer, ein Kind zu bekommen, als für so viele andere?“
    Eirin vergaß ganz, daß sie selbst einmal Elvina versprochen hatte, der Arzt würde kommen, ihr Kind zu holen, wenn es Jonsine allein nicht schaffte.
    Halfdan war weiß im Gesicht. Er sah Eirin voll an.
    „Ich schäme mich deinetwegen, Eirin!“
    Dann machte er kehrt und ging. Aber Eirin stand mit funkelnden Augen in der Tür und schrie mit tränenerstickter Stimme hinter ihm her:
    „Ja, schäm du dich nur! Ich bin ja nur Eirin, ich bin kein interessanter Fall - auch kein einträglicher Patient -, ich bin gut genug, um deine Fußböden aufzuwischen - “
    Da fühlte Eirin um ihren Arm einen harten Griff. Sie wurde in die Stube gezogen, und die Tür wurde hinter ihr zugeworfen.
    Vor ihr stand Tante Bertha. Auf ihren blassen Wangen erschienen zwei hektische rote Flecken. Die Augen blitzten.
    Mit ihrer linken Hand hatte sie Eirins Schulter so hart gepackt, daß es ihr weh tat. Und mit der rechten gab sie ihr eine schallende Ohrfeige.
    „Unanständiges, egoistisches Geschöpf“, sagte Tante Bertha, und ihre Stimme war heiser vor Erregung. „Setz dich und überleg dir, was du eben zu Halfdan gesagt hast. Warte auf ihn, bis er nach Hause kommt, und wenn es die ganze Nacht dauert. Und dann sieh zu, ob er dir verzeiht. Wenn er das tut, dann ist er ein noch besserer Mensch, als ich sowieso schon

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