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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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Bohnenstange mit dem Spezialisten in die Schlange an der Essensausgabe. Die Gefahr ist groß, dass sich der Experte zur Administration gesellt, sich dort festquatscht und darüber die Salatauswahl vergisst. So stehen die beiden artig wartend in der Schlange, während ich versuche, an die Tomaten zu kommen. Sehr ungünstig positioniert haben sich zwei Damen im Kostüm und schwärmen von «diesen hervoooooooooooooooorragenden Kalamata-Oliven,» die sie irgendwo gegessen haben, und sie haben es richtig gemütlich an der entscheidenden Ecke, wo sich die Gurken, Oliven und dergleichen mehr befinden. Unwillig machen sie Platz, als ich mich mit meinem Teller nähere. Auf den Tellern der beiden Grazien befinden sich lediglich zwei Gurkenscheibchen und zwei Pilze. Schneller als erwartet habe ich meine Aufgabe erfüllt und winde mich aus dem Verwaltungstrakt heraus in Richtung Essensausgabe, wo der Gesundheitsexperte bereits mit Kennermiene seine Portion Bratkartoffeln auf schädliche Substanzen inspiziert. Die Zeit drängt, die Pause ist kurz, und als wir auf dem Weg Richtung Ausgang sind, hören wir das laute Orgeln eines Alarmpiepers – der Vollbart kommt angehetzt, in der Hand sein Tablett, auf dem sich die noch fast komplette Portion Mittagessen befindet. Damit rennt er in Begleitung des Rettungsassistenten, der zusätzlich auch noch zwei Schälchen Pudding balancieren muss, in Richtung Einsatzfahrzeug. Ihr Essen werden sie im Bereitschaftszimmer zwischenparken. Der Experte staunt.
    «Das ist aber gar nicht gut, wenn man nicht in Ruhe essen kann.» Die Bohnenstange und ich winken gnädig ab. Als wir die Station betreten, um in der Küche in Ruhe mit unserem Gast zu dinieren, macht auch uns das Schicksal einen fetten Strich durch die Rechnung: Der Star kommt uns bereits im Flur entgegen und kündigt einen Notfall an, der just in diesem Moment um die Ecke zu uns gefahren wird. Wir zeigen dem Gesundheitsspezialisten den Weg Richtung Küche und bedauern sehr, ihn dort alleine lassen zu müssen. Immerhin sieht er so aber einmal, dass das Vorhandensein einer Cafeteria kein Garant dafür ist, dass die Kollegen das dort erworbene Essen auch in Ruhe zu sich nehmen können. Die Unplanmäßigkeit, mit der sich Notfälle ankündigen, hat oftmals zur Folge, dass die Kollegen außer dem Frühstück und etwas Kaffee weiter nichts in den Magen bekommen – und das fällt ihnen erst auf, wenn ihnen allmählich flau wird.
    Womöglich wäre es also sinnvoller gewesen, wir hätten ihn gleich in die Räumlichkeiten der Geschäftsführung verfrachtet. Dort hätte er sich in praxi ansehen können, wie effizient ein «Wirtschaftsbetrieb Krankenhaus» agiert, denn es sind erstaunlich viele Menschen, die nicht direkt mit der Patientenversorgung befasst sind und im Paralleluniversum Büro, in dem von all der Hektik bei uns nicht viel zu merken ist, einen solch großen Betrieb aufrechterhalten.
     
    Stellen wir uns nun einmal vor, wie Frau Müller vom Vollbart in die Klinik gebracht wird. Sie ist mit ihrem Fahrrad auf nasser Straße in die Schienen der Straßenbahn geraten, und es hat sie in Sekundenschnelle umgeworfen, sodass sie mit dem Hinterkopf knallend auf das Pflaster aufschlug, sich den Arm brach und diverse Schürfwunden und Prellungen davontrug. Durch die Gehirnerschütterung verwirrt, wird Frau Müller von den Rettungsassistenten und dem Vollbart auf einer rollbaren Trage in die Ambulanz gefahren, in der bereits vier weitere Patienten im Wartebereich sitzen. Da man bei Frau Müller nach diesem gehörigen Aufprall mit dem Kopf aufs Pflaster schlimmstenfalls mit einer Hirnblutung rechnen muss, wird sie schnellstmöglich in einen der noch freien Behandlungsräume gefahren, was bei den bereits Wartenden Protest auslöst. «Ich sitze aber hier auch schon zwei Stunden», beklagt sich ein Mann, der beim Joggen umgeknickt war und auf eine Röntgenuntersuchung wartet. Als ihn die Krankenschwester darauf hinweist, dass Notfälle vorrangig behandelt werden, dreht der Mann beleidigt den Kopf zur Seite. Auch den anderen drei Wartenden kommt allmählich die Erkenntnis, dass sie zwar mit einem behandlungswürdigen Befund in die Klinik gekommen sind, der aber durch andere Befunde immer wieder gestoppt wird. Frau Müller wird zum Ausschluss einer Hirnblutung in die Computertomografie gebracht und danach auf die Intensivstation verlegt, wo sie vom Krankenpflegepersonal und den Ärzten weiterversorgt wird, die an diesem Nachmittag in dezimierter Zahl

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