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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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überhaupt nicht geben wollte. Er wollte lediglich beweisen, dass er es jederzeit tun
könnte
. Ja, ich denke, auch damit wollte er uns seine Macht demonstrieren. Uns – und vielleicht auch sich selbst – zeigen, wie nahe er uns kommen kann, ohne erwischt zu werden.»
    «Aber das hat er doch schon im Treppenhaus unter Beweis gestellt, als er seelenruhig an uns vorbeispaziert ist», warf Miguel ein. «Warum das zusätzliche Risiko? Und das so ganz ohne Publikum. Außer Ihnen, Liz, hat niemand etwas von dieser weiteren Machtdemonstration mitbekommen.»
    «Wir wissen doch, dass Liz ihm aus irgendeinem Grund besonders wichtig ist», sagte Birgit. «Sie ist der Fokus all seiner Bemühungen. Deswegen hat er ihr ja auch die anonymen Briefe geschickt – und ihre Freundin getötet.»
    Liz setzte sich ruckartig auf. Die Erkenntnis durchzuckte sie so heftig, dass sie körperlich schmerzte:
    Hendrik.
    Hendrik musste hinter all diesen Taten stecken. Nur so ergaben sie einen Sinn. Ihr Bruder war der einzige Mensch auf der Welt, auf den das Täterprofil zutraf.
    «Was ist los, Liz?» Stadler nahm ihre Hände und sah sie besorgt an. «Du bist ganz blass. Geht es dir nicht gut?»
    «Hendrik», sagte Liz mit fester Stimme und zog ihre Hände weg. «Er ist der Mann, den wir suchen.»
    «Hendrik? Dein Bruder?» Birgit sah sie ungläubig an.
    «Die Taten passen nicht zu Jan Schneider», erklärte Liz. Ein Kribbeln lief durch ihren Körper, als stünde sie unter Strom. «Er hat kein Motiv. Und auch nicht das entsprechende Persönlichkeitsprofil. Jan Schneider würde vielleicht den Richter umbringen und den Lehrer, der gegen ihn ausgesagt hat. Meinetwegen auch weitere Zeugen. Aber nicht die Eltern von Hendrik Vermeeren, nur weil dieser in Wahrheit das Feuer gelegt hat. Vor allem nicht auf diese Art.»
    «Dein Bruder ist tot, Liz», wandte Stadler ein.
    «Das glaube ich nicht. Nicht mehr.» Liz setzte sich auf und schob die Decke zur Seite. «Wenn Hendrik noch lebt, ergibt alles einen Sinn. Sogar die Botschaft bei der toten Tanja Matzurka: ‹falsche Schwester›. Er wollte damit sagen, dass er noch nicht die getötet hat, die er eigentlich meint – seine richtige Schwester. Er hat sich bewusst doppeldeutig ausgedrückt. Nur ich sollte die Botschaft entschlüsseln, nicht die Polizei. Vermutlich waren auf den Teppich von Leonore Talmeier die gleichen Worte geschrieben. Ich glaube nicht, dass er den Blutfluss unterschätzt hat. Er hat die Möglichkeiten der Kriminaltechnik
überschätzt
. CSI -Effekt nennt man das. Er hat geglaubt, eure Kollegen könnten die Schrift wieder lesbar machen. Doch das funktionierte nicht. Deshalb war er beim zweiten Opfer weniger subtil. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir: Hendrik steckt hinter all diesen Morden. Er allein hat Grund, unsere Eltern so sehr zu hassen. Er allein kennt mich gut genug, um dieses Spiel mit mir zu spielen. Und er allein hat die Persönlichkeit, so grausam zu morden. Ich habe die Akte von Jan Schneider gelesen. Er hatte die typische Karriere eines jugendlichen Kriminellen hinter sich, als er verurteilt wurde. Ladendiebstähle, Einbrüche, zum Schluss ein paar Überfälle. Er hat nie mehr Gewalt angewendet als nötig. Keine seiner Taten war von Sadismus gekennzeichnet.»
    «Wie willst du das anhand der wenigen Details aus den Akten so sicher sagen?», fragte Birgit, eher interessiert als skeptisch.
    «Es ist die Art der Verbrechen, die Schneider begangen hat», erklärte Liz. «Sie dienten nicht der Befriedigung perverser Triebe. Auch nicht der Bereicherung. Bei den ersten Ladendiebstählen hat er nur wertlosen Kleinkram mitgehen lassen. Er brauchte kein Geld, das gab es bei ihm zu Hause mehr als genug. Er wollte Aufmerksamkeit. Davon bekam er vermutlich zu wenig. Er wollte, dass seine Eltern sich mit ihm beschäftigen. Vermutlich hat es nicht gefruchtet, zumindest nicht so, wie er es sich erhoffte. Deswegen haben seine Straftaten andere Dimensionen angenommen. Jan Schneider hat um Hilfe gerufen, doch niemand hat ihn gehört.»
    Miguel verschränkte die Arme. «Das mag ja stimmen. Für den Anfang zumindest. Und dann hat der Knast ihn verdorben. So was passiert. Er fing an, die Welt, die ihn nicht verstand, zu hassen. Jan Schneider ist unser Mann. Punkt. Hendrik Vermeeren kann nicht der Täter sein. Er ist tot.»
    Überraschenderweise stellte Birgit sich auf Liz’ Seite. «Es wäre doch möglich, dass die beiden die Rollen getauscht haben. Vielleicht hat

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