Schwesterlein, komm stirb mit mir
stehen. Sie fragte die beiden auf Englisch, wohin es gehen solle, doch sie gaben vor, kein Wort zu verstehen. Liz bekam es mit der Angst zu tun. Hektisch sah sie sich um. Die Gasse endete an einer hohen Mauer. An den Häuserfassaden bröckelte der Putz ab, es war nicht zu erkennen, ob hinter den geschlossenen Läden jemand lebte.
Deborah hatte all das offenbar längst erfasst. Entschlossen stemmte sie die Hände in die Hüften und weigerte sich weiterzugehen. Doch die beiden Männer stellten sich ihnen in den Weg und tauschten vielsagende Blicke.
Da begann Deborah, die beiden lautstark auf Deutsch zu beschimpfen. Sie machte so viel Lärm, dass Türen und Fensterläden geöffnet wurden und einige Anwohner sich neugierig hinauslehnten. Die Männer erkannten, dass sie verloren hatten, und verdrückten sich über die Mauer. Deborah nahm Liz bei der Hand und rannte mit ihr in die andere Richtung. Atemlos stolperten sie durch die Gassen. Sie hielten erst inne, als sie ein belebteres Viertel erreicht hatten.
Liz erfuhr nie, was die Kerle mit ihnen vorhatten. Zurück blieb die Überzeugung, dass sie den beiden ohne Deborah hilflos ausgeliefert gewesen wäre. Und die dumpfe Angst, dass sie in einer ähnlichen Lage noch immer so wehrlos wäre wie damals.
Montag, 4. November, 9:34 Uhr
Birgit Clarenberg versuchte, unter dem Mundschutz möglichst flach zu atmen. Normalerweise machten ihr Obduktionen nicht so viel aus. Es gab nur Weniges, was sie in ihrer Laufbahn noch nicht gesehen hatte. Doch diesmal war sie kurz davor, fluchtartig den Raum zu verlassen.
Sie stand im kleinen Sektionssaal der Rechtsmedizin Düsseldorf und sah zu, wie die Leiche von Deborah Arendt aufgeschnitten wurde. Der Raum war so winzig, dass Birgit nicht einmal ein paar Schritte zur Seite treten und den Blick abwenden konnte. Es gab im Grunde nur eine Stelle, an der sie stehen und zusehen konnte, ohne den Medizinern im Weg zu sein.
Vielleicht rührte ihr Unbehagen daher, dass die Tote Liz Montarios beste Freundin war. Birgit mochte die Psychologin. Gewöhnlich tat sie sich schwer mit attraktiven Frauen. In deren Gegenwart fühlte sie sich zweitklassig, als wäre sie bei einer Prüfung durchgefallen, die die anderen mit Bravour bestanden hatten. Doch bei Liz war es anders. Das lag wohl daran, dass sie sich um ihr Aussehen nicht zu kümmern schien und es sich ohne Zögern auf dem Fußboden bequem machte, um staubige Akten zu studieren. Sie war früher bestimmt die Art Freundin gewesen, mit der man im Wald eine Hütte bauen oder in einem leer stehenden Haus auf Schatzsuche gehen konnte.
Doch das war nicht der einzige Grund. Deborah Arendt war die erste Tote, die Birgit selbst aufgefunden hatte. Normalweise kam sie vorbereitet an einen Tatort, war darauf gefasst, mit einem schrecklichen Anblick konfrontiert zu werden. Doch diesmal hatte der Tod sie unerwartet heimgesucht. Sie war auf eine gewöhnliche Zeugenbefragung eingestellt gewesen und hatte stattdessen das Grauen angetroffen. Den Moment, als die Aufzugtüren sich geöffnet hatten, würde sie so schnell nicht vergessen.
Die beiden Rechtsmediziner waren inzwischen damit beschäftigt, die Organe zu entnehmen und zu wiegen. Das Gewicht schrieben sie mit Kreide an eine Wandtafel.
Plötzlich fluchte einer der beiden Männer durch seinen Mundschutz. «Verdammt, was ist das denn?»
Neugierig beugte Birgit sich vor. «Was gefunden?»
Der Rechtsmediziner drückte auf die Pause-Taste des Recorders, der die Befunde aufzeichnete. «Da ist ein Fremdkörper in der Gebärmutter», antwortete er. «Ich kann noch nicht erkennen, was es ist.»
Birgit presste die Lippen zusammen und kämpfte gegen die Übelkeit an. Was immer in der Gebärmutter der Toten steckte, ihr Mörder musste es ihr bei lebendigem Leib eingeführt haben. Denn er musste es getan haben, bevor er die Puppe in ihre Vagina schob. Dabei hatte Deborah Arendt nämlich noch gelebt, das hatten die Ärzte bereits bestätigt.
Ungeduldig wartete Birgit, während die beiden Rechtsmediziner in der geöffneten Leiche herumstocherten. Das Schlimmste war, dass sie Liz vermutlich auch dieses Detail nicht würde ersparen können. Stadler hatte angeordnet, dass die Psychologin über alle Ermittlungsergebnisse informiert wurde, denn es bestand die Möglichkeit, dass der Mörder Hinweise hinterließ, die nur sie entschlüsseln konnte.
«Ich habe es!», rief einer der Ärzte.
«Das darf doch wohl nicht wahr sein!», entfuhr es seinem Kollegen.
Birgit trat
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