Schwesterlein, komm stirb mit mir
Liebeskummer verkrochen hat.»
«Sie ist sehr hübsch.»
Stadler wurde das Gespräch zunehmend unangenehm. Er ließ sich nicht gern über sein Privatleben ausfragen, schon gar nicht von einer Psychologin. «Kolleginnen sind für mich tabu», stieß er verärgert hervor. «Den Fehler habe ich einmal gemacht. Außerdem bin ich nicht der Typ für eine feste Beziehung.»
«Das dachte ich mir.»
Er sah zu ihr hinüber, doch er wurde aus ihrem Blick nicht schlau.
Zwanzig Minuten später wurden sie in einen fensterlosen Raum geführt, dessen einziges Möbelstück ein Tisch war, um den vier Stühle herum standen. Stadler und Liz setzten sich und warteten schweigend, bis der Häftling hereingeführt wurde.
Karim Meshad sah älter aus als vierunddreißig, seine Schläfen waren bereits grau, das Gesicht von Falten durchzogen. Er trug einen schmalen Oberlippenbart und das schulterlange Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er setzte sich und sah seine Besucher ohne besonderes Interesse an.
Stadler nickte ihm zu. «Kriminalhauptkommissar Georg Stadler von der Kripo Düsseldorf. Das ist Elisabeth Montario.»
Stadler hatte Liz absichtlich nicht im Vorfeld angekündigt, denn er wollte Meshads Reaktion sehen. Der Mann sollte keine Gelegenheit haben, sich auf den Besuch vorzubereiten und sich eine Geschichte zurechtzulegen.
Karim Meshad reagierte überhaupt nicht.
«Haste Kippen?», fragte er.
Wortlos zog Stadler ein Päckchen aus der Jackentasche und warf es auf den Tisch. Er beobachtete, wie Meshad das Päckchen öffnete, eine Zigarette herausnahm, aber nicht anzündete, sondern nachdenklich in den Händen drehte. Nichts deutete darauf hin, dass er Liz kannte.
Plötzlich kam Stadler ein Gedanke. «Sie kennen meine Begleiterin vermutlich unter dem Namen Elisabeth Vermeeren.»
Das löste eine Reaktion aus. Meshads Kopf schoss hoch, neugierig musterte er Liz. «Die kleine Schwester», sagte er schließlich. «Sie sehen ihm gar nicht ähnlich.»
Liz hatte die ganze Zeit reglos dagesessen, auch jetzt rührte sie sich nicht. Bevor sie aus dem Wagen gestiegen waren, hatte Stadler ihr eingeschärft, sich abwartend zu verhalten und nur zu sprechen, wenn er sie dazu aufforderte. Offenbar hatte sie diesmal vor, sich an seine Anweisungen zu halten.
«Wir möchten mit Ihnen über den Brief sprechen, den Sie Frau Montario vor etwa sechzehn Jahren geschickt haben.»
«Über den Brief? Welchen Brief? Ich habe keinen Brief geschickt.» Er grinste. «Ich Ägypter, ich nicht mal richtig Deutsch können. Schwere Sprache.»
«Scherzkeks», kommentierte Stadler.
«War’s das?» Meshad machte Anstalten, sich zu erheben.
Stadler bedeutete ihm, sitzen zu bleiben.
«Ich muss nicht mit Ihnen reden», sagte Meshad. «Warum sollte ich auch, wenn nichts für mich dabei rausspringt.»
«Es könnte aber was für Sie rausspringen.» Stadler lehnte sich im Stuhl zurück.
Mit plötzlichem Interesse beugte Meshad sich vor. «Ach ja?»
«Ihr Leben.»
Meshad lachte auf. «Wer ist hier der Scherzkeks? Mein Leben? Wollen Sie mich umlegen, wenn ich den Mund nicht aufmache? Hier im Knast?»
«Hendrik Vermeeren ist dabei, alle Personen zu ermorden, die er auf die eine oder andere Weise für Verräter hält. Er hat bereits sieben Menschen getötet. Unter anderem den Richter, der ihn verurteilt hat, und seinen ehemaligen Lehrer Friedrich Burgmüller.»
Meshad riss den Mund auf. «Burgmüller ist tot? Fuck!»
«Sie kannten ihn?»
«War mein Mathelehrer in Siegburg. War echt ein anständiger Kerl. Bisschen naiv. Hat immer geglaubt, uns alle retten zu müssen. Aber echt fair. Hendrik hat ihn umgebracht? Fuck! Der ist echt durchgeknallt.»
«Sie könnten auch auf seiner Liste stehen, Herr Meshad. Weil Sie seine Schwester damals vor ihm gewarnt haben. Das haben Sie doch, oder?»
Meshad drehte die Zigarette in seinen Fingern. «Ich weiß nichts von einem Brief, echt nicht.»
Stadler zuckte zusammen, als er Liz’ Hand auf seinem Oberschenkel spürte. Er warf ihr einen Blick zu und nickte.
«Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie versucht haben, mich auf die Gefahr hinzuweisen», sagte Liz mit warmer Stimme zu Karim Meshad. «Sie waren der Einzige, der auch nur einen Gedanken an mich verschwendet hat.»
Der Häftling senkte den Blick.
«Sie haben Mut bewiesen, wo andere zu feige waren», fuhr Liz fort.
«War doch nichts», sagte Meshad, den Blick auf die Tischplatte gerichtet. «Ich hatte Ihr Foto in der Zeitung gesehen, wissen Sie? Und ich habe
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