Schwesterlein, komm stirb mit mir
Ihre eigenen Ideen darlegen. Dann schauen wir gemeinsam, ob sich auf dieser Grundlage eine vernünftige Hausarbeit schreiben lässt. Einverstanden?»
Thorsten Kramold nickte verlegen.
«Abgemacht also. Wir sehen uns dann gleich im Seminar. Schicken Sie bitte den Nächsten herein.» Liz lehnte sich seufzend zurück. Sie war nicht die geborene Dozentin, so viel stand fest. Andererseits war sie auch nicht die geborene Ermittlerin, das hatte sie heute Vormittag bemerkt. Bei der Polizei wurde mit harten Bandagen gekämpft. Der Ton war rau, es gab keine falsche Rücksichtnahme. Aber sie hatte auch angenehme Erfahrungen gemacht. Miguel Rodríguez bezog sie ganz unvoreingenommen in die Arbeit ein, und mit Stadlers Kollegin Birgit Clarenberg hatte Liz ein halb scherzhaftes, halb ernstes Gespräch darüber geführt, wie man als Frau unter Polizisten überlebte. Dennoch war Liz froh gewesen, als sie das Polizeipräsidium verlassen konnte, um rechtzeitig zu ihrer Sprechstunde an der Uni zu sein.
Es klopfte, die Tür ging auf, und Liz ließ überrascht ihren Kuli fallen, als Georg Stadler das Büro betrat.
«Ich habe gerade Sprechstunde», erklärte sie.
«Ich weiß. Deswegen bin ich hier.» Er ließ sich ungefragt auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch nieder.
«Sie wollen eine Hausarbeit zum Thema Serienmord schreiben? Sind Sie überhaupt für mein Seminar angemeldet?» Liz verschränkte die Arme.
Stadler grinste. «Leider bin ich das nicht. Aber sprechen muss ich Sie trotzdem.»
Liz blickte zur Tür.
«Keine Sorge. Da ist niemand mehr. Ich bin der Letzte.»
«Aha. Dann schießen Sie los. Geht es um das Täterprofil?»
Stadler schüttelte den Kopf. «Nein, ich bin in einer anderen Angelegenheit hier. Der Mord an Leonore Talmeier und das Verschwinden von Tanja Matzurka sind nicht die einzigen Fälle, die wir derzeit bearbeiten. Und da viele Kräfte des KK 11 in die Untersuchung einer Schießerei eingebunden sind, kann ich die Arbeit auch nicht delegieren. Wir haben bereits jetzt jede Menge Kollegen aus anderen Abteilungen in der Moko Ripper sitzen. Die haben zwar alle schon mal bei einer Mordermittlung mitgearbeitet, aber sie verfügen natürlich nicht über die gleiche Erfahrung wie die Kollegen aus dem KK 11 .» Er fuhr sich durch das kurze Haar.
«Moko Ripper? Habe ich richtig gehört?»
Stadler grinste verlegen. «Die Kollegen sind bei der Wahl der Namen nicht unbedingt zimperlich.»
«Ein bisschen Spaß muss sein, ja?»
«Nehmen Sie es uns nicht übel. Es ist ein verdammt harter Job, und auch wir sind keine Übermenschen.»
«Das habe ich schon bemerkt.» Sie lächelte. «Also, wie kann ich Ihnen helfen?»
«Ich untersuche den Tod von Ruben Keller. Sie kannten ihn doch, oder?»
Liz wurde plötzlich kalt. Wegen der vielen anderen Ereignisse der letzten Tage hatte sie kaum noch an Ruben gedacht. Natürlich hatte sie sein Fehlen bemerkt, als sie vorhin das Büro betreten hatte, sich dann aber mit Arbeit abgelenkt. «Ja, ich kannte ihn. Aber nur flüchtig.» Sie zögerte. «Ich dachte, es sei ein Unfall gewesen. Warum ermittelt die Mordkommission?»
Stadler hob die Hände. «Es sieht so aus, als hätte ihn jemand absichtlich überfahren. Den Reifenspuren nach zu urteilen, hat das Fahrzeug gewendet und ist ein zweites Mal über den am Boden liegenden Ruben Keller gerollt.»
Liz schluckte. «Und der Täter?»
«Bisher tappen wir völlig im Dunkeln. Wir haben mit seiner Freundin gesprochen, mit seiner Familie, mit seinen Bekannten. Er hatte keine Feinde, es gab keine offenen Rechnungen. Auch keine Kontakte ins kriminelle Milieu. Den einzigen Hinweis hat einer seiner Freunde geliefert. Ruben Keller war Hacker, allerdings ein kleiner Fisch. Jedenfalls hat Keller diesem Freund gegenüber angedeutet, dass er hinter einer größeren Sache her sei.»
«Dann müssten doch Hinweise auf seinem Rechner zu finden sein.»
«Nicht auf dem, der bei ihm zu Hause stand. Und das Notebook in seinem Rucksack war völlig zerstört. Bisher haben wir keine Daten rekonstruieren können. Aber die Kollegen haben noch nicht aufgegeben.» Stadler seufzte. «Hat Keller Ihnen gegenüber vielleicht mal etwas angedeutet? Er arbeitete doch hier in diesem Büro, oder?»
Ein riesiger Kloß saß Liz im Hals fest. Sie wollte, dass Rubens Mörder gefasst wurde. Aber nicht um jeden Preis. Nicht, wenn sie dafür ihre Deckung aufgeben musste. «Nein», sagte sie zögernd. «Er hat nichts Derartiges angedeutet. Wir haben eigentlich kaum über
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