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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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wo Sie die Akten durchgehen können.» Er führte sie hinauf in den zweiten Stock, blieb vor einer Tür stehen. Er klopfte und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Der Raum war winzig und hatte zwei Fenster zu einem Innenhof. Zwei Schreibtische standen einander zugewandt vor den Fenstern. Auf dem einen häuften sich neben Bildschirm und Tastatur unzählige Papiere, Hefter, Stifte, Kaffeebecher und anderer Kram. Der zweite war bis auf einen ordentlichen Stapel Aktenordner leer. An dem überfüllten Schreibtisch saß ein schlanker, südländisch aussehender Mann, der sie freundlich anlächelte.
    «Hallo, Sie müssen Frau Montario sein. Ich bin Miguel. Miguel Rodríguez.» Er stand auf und reichte ihr die Hand. «Ich versuche, hier im KK   11 ein bisschen die spanische Sonne scheinen zu lassen, aber es gelingt mir selten.» Er verdrehte in gespieltem Leid die Augen. «Ihr Name klingt, als hätten Sie ebenfalls sonnige Wurzeln.»
    «Meine Mutter, ähm …», stammelte Liz überrumpelt. «Italien. Piemont, um genau zu sein. Aber schon in der dritten Generation hier. Nicht mehr viel Sonne übrig.»
    «Ich sehe, ihr versteht euch prächtig», stellte Stadler fest. «Frau Montario, Sie können bis auf weiteres an diesem Schreibtisch arbeiten.» Er deutete auf den aufgeräumten Arbeitsplatz. «Der Kollege, der hier sonst sitzt, ist für längere Zeit krankgeschrieben. Ich habe Ihnen alle relevanten Akten bereitlegen lassen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie noch etwas brauchen. Ich sitze im Büro gegenüber.» Er nickte ihr zu.
    Sie wusste nicht, ob er so förmlich war, weil Rodríguez nicht wissen durfte, dass sie sich bereits kannten, oder ob er wegen ihres Streits verunsichert war. Oder sogar eingeschnappt.
    «Danke», sagte sie und zog ihre Lammfelljacke aus.
    «Ich hole Sie gleich zur Teambesprechung ab. Ein paar Minuten dauert es aber noch. Vielleicht möchten Sie sich bis dahin ein wenig mit Ihrem Arbeitsplatz vertraut machen.» Er verließ das Büro und schloss die Tür hinter sich.
    Rodríguez trat an einen Aktenschrank und holte eine Tasse heraus. «Kaffee?»
    Sie rang sich ein Lächeln ab. «Gern.»
    Liz hatte kaum Zeit, die ersten Seiten der Akte Tanja Matzurka zu lesen, als Stadler wiederauftauchte. «Bereit?», fragte er.
    Sie erhob sich. Rodríguez stand ebenfalls auf, schnappte sich ein paar Unterlagen und ging voran. Auf dem Flur hielt Liz Stadler am Arm fest. «Ich denke, es gibt ein paar Dinge, die wir klären müssen.»
    Er blieb stehen. «Nicht hier und nicht jetzt.»
    «Das meine ich nicht.»
    Er runzelte die Stirn.
    «Wissen die anderen, dass ich die Akten schon gesehen habe? Seit wann weiß ich offiziell von dem Fall? Weiß ich auch über den Mord an dem Transvestiten Bescheid?»
    Er blickte zu beiden Seiten, doch der Gang war leer, Rodríguez war schon um die Ecke verschwunden. «Sie waren gestern schon mal hier, haben bei mir im Büro Akten gewälzt. Bei der Gelegenheit habe ich Ihnen auch von dem Transvestiten erzählt. Die anderen wissen, dass ich glaube, dass beide Fälle zusammenhängen. Birgit weiß Bescheid. Okay?»
    «Birgit?»
    «Meine Partnerin. Birgit Clarenberg. Teilt sich mit mir ein Büro. Absolut vertrauenswürdig.»
    Sie betraten einen großen Raum, in dem Tische zu einem Hufeisen zusammengestellt waren. Alle Plätze waren belegt, einige Ermittler standen sogar oder hatten es sich auf der Fensterbank bequem gemacht. Am Kopfende der Sitzrunde hing ein großes Whiteboard, an verschiedenen Pinnwänden hefteten Fotos und Notizen.
    Liz nahm neben Rodríguez Platz, der ihr einen Stuhl freigehalten hatte. Sie spürte die neugierigen Blicke der Ermittler, nicht alle waren freundlich. Auf was hatte sie sich da eingelassen? Warum tat sie sich das an?
    Entschlossen legte sie den Block mit den wenigen Notizen, die sie gemacht hatte, vor sich auf den Tisch und straffte die Schultern. Sie machte das, weil sie gut darin war. Weil sie es konnte, und zwar besser als die meisten anderen. Denn sie erkannte Zusammenhänge, die andere nicht sahen. Wenn jemand sie deshalb nicht leiden konnte oder sich dadurch in seiner Kompetenz in Frage gestellt sah, war das sein Problem, nicht ihres.
    Stadler trat vor das Whiteboard und hob die Hand. «Können wir?»
    Augenblicklich sank der Geräuschpegel.
    «Morgen, Kollegen. Ich hoffe, ihr seid alle ausgeschlafen, wir haben einen langen Tag vor uns.»
    «Hört, hört», rief ein kräftig gebauter Kahlkopf mit kantigen Gesichtszügen und schnitt eine Grimasse.

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