Schwesterlein, komm stirb mit mir
Vielleicht hat er wirklich ein Problem mit Transvestiten oder Transsexuellen, aber das ist nicht der Punkt. Das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei ist es, was ihm den Kick verschafft.» Sie sah zu Stadler hinüber. «Gab es eigentlich irgendwelche Bekennerschreiben?»
Er schüttelte den Kopf. «Bisher nicht. Aber wir haben die Umstände des Mordes an Leonore Talmeier der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen. Keine aufsehenerregenden Details, keine Infos über die Anzahl der Stichwunden oder das Aufschlitzen der Bauchhöhle. Ich fürchte, dass sich das nun ändern wird. Ab morgen stehen die Spinner hier Schlange, und nicht nur die von der Presse.»
Liz nickte. «Ich könnte fast wetten, dass unser Täter unter ihnen sein wird.»
«Habe ich das richtig verstanden?», blaffte der Mann vom KK 12 . «Das Ganze soll ein Spiel sein? Eine Art Wettbewerb zwischen dem Täter und der Polizei? Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe!» Er verschränkte die Arme vor der Brust. «Wer bringt denn bitte drei Menschen auf diese abartige Art und Weise um, nur um sich ein Wettrennen mit der Polizei zu liefern?»
«Ich weiß es nicht», entgegnete Liz ruhig. «Wie gesagt, das sind nur meine ersten Eindrücke.»
«Na toll …» Der Mann schüttelte den Kopf. «Nicht der Täter, sondern
Sie
haben wohl zu viele Hollywood-Filme geguckt. Ich finde, wir sollten uns an die gute alte Polizeiarbeit halten, solange Sie uns nichts Vernünftigeres liefern.»
Ein paar Kollegen murmelten zustimmend.
Stadler hob die Hand. «Natürlich tun wir das. Aber es wird uns nicht davon abhalten, auch die Anregungen von Frau Dr. Montario ernst zu nehmen. Schließlich lag sie richtig, was das Versteck anging, in dem Tanja Matzurka gefangen gehalten wurde. Und wenn ich mich richtig erinnere, haben auch das einige hier für abwegig gehalten.»
Betretenes Schweigen senkte sich über den Raum.
«Was ist mit dem Inhalt der Botschaft?» Stadler sah wieder zu Liz. «Irgendeine Theorie, was der Täter damit sagen möchte?»
Liz massierte sich mit den Fingern die Schläfen. «Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Am wahrscheinlichsten ist, dass er darauf hinweisen will, dass es sich bei dem Opfer seiner Meinung nach um eine falsche Frau handelt. Warum er das Wort ‹Schwester› verwendet, kann ich nicht sagen. Vielleicht gibt es einen Fall von Transsexualität in seiner Familie. Oder er benutzt irgendeinen Jargon. In der Homosexuellenszene wird gelegentlich von Schwestern gesprochen. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass die Tote in einem Krankenhaus gefunden wurde. Dort gibt es noch eine andere Art Schwestern, Krankenschwestern nämlich.»
«Und was sagt uns das?», fragte der Beamte vom KK 12 , der offenbar noch immer keinen Wert auf Liz’ Meinung legte. «Tanja Matzurka war Maklerin, keine Krankenschwester. Das bringt uns doch alles nicht weiter.»
Stadler sah den Kollegen scharf an und warf dann einen kurzen Blick zu Liz hinüber. Doch die schaute zu Birgit Clarenberg, die ihr aufmunternd zulächelte.
«Wir werden mit Hochdruck alle Spuren auswerten», sagte er. «Und wir werden sämtliche anonymen Briefe, Anrufe und Bekennerschreiben besonders gründlich überprüfen.» Wieder schaute er zu der Psychologin. Doch Liz starrte jetzt auf ihre Handtasche, als hätte diese sich in eine hässliche Kröte verwandelt.
Donnerstag, 24. Oktober, 22:14 Uhr
Liz lehnte sich zurück und schloss die Augen. «Danke, Deb, das hat unendlich gutgetan.»
«Gern. Noch Wein?»
Liz öffnete die Augen und sah in Deborahs vergnügtes Gesicht. Sie hatten als Aperitif zwei Wodka Tonic runtergekippt und die zweite Flasche Wein war bereits halbleer. Liz war schon leicht schwindelig, ihr Kopf fühlte sich an, als sei er in Watte gepackt. Trotzdem schob sie ihrer Freundin das Glas hin. Irgendwie musste sie die Bilder aus dem Kreißsaal loswerden, damit sie halbwegs schlafen konnte. Außerdem wollte sie sich Mut antrinken. Sie hatte Deborah versprochen, ihr die Wahrheit zu erzählen, und sie war fest entschlossen, ihr Versprechen zu halten.
Deborah schenkte nach und erhob sich. «Komm, wir machen es uns auf dem Sofa bequem. Um das hier kümmere ich mich morgen.» Sie deutete auf die Essensreste auf dem Tisch. «Das gilt auch für die Küche. Versuch einfach, nicht hinzusehen.»
«Ich könnte abräumen, während du auf dem Balkon eine rauchst», schlug Liz vor, der die Vorstellung zuwider war, am nächsten Morgen ihren Kaffee zwischen
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