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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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schien, war Liz immer mehr davon überzeugt, dass hier jemand mit der Polizei Katz und Maus spielte. Doch zu welchem Zweck? Und welche Rolle spielten die Opfer dabei?
    Liz rieb sich die Augen. Es fiel ihr schwer, sich eine klare Vorstellung von den beiden ersten Taten zu verschaffen. Der Anblick der Szenerie im Krankenhaus überstrahlte alles. Sie würde Stadler bitten, ihr die beiden anderen Tatorte zu zeigen, das hätte sie längst tun sollen. Kein Foto war so gut wie der Ort selbst. Nicht einmal der Film, den die KTU in der Wohnung von Leonore Talmeier gedreht hatte, konnte das ersetzen. Entschlossen setzte Liz sich auf. Sobald Stadler aus der Rechtsmedizin zurückkam, würde sie ihn fragen.
    Das Handy schrie. Deborah. Dankbar für die Unterbrechung nahm Liz den Anruf entgegen.
    «Na? Alles okay? Wie fühlst du dich?», fragte Deborah fröhlich. Sie klang ein wenig bemüht.
    «Müde, aber abgesehen davon, gut.»
    «Kein Kater?» Deborah klang baff.
    «Du etwa?»
    «Na ja, du weißt schon: Kippen, Kaffee, und der Tag war mein.»
    «Klingt grauenhaft.» Liz schüttelte sich.
    «Aber es funktioniert.» Deborah lachte leise. «Ich war nämlich heute auch schon fleißig. Hab meinen ganzen Bürokram vom letzten Monat erledigt. Alle Rechnungen sind raus. So früh war ich noch nie dran. Ach ja, heute Morgen hatte ich deine Mutter an der Strippe.»
    «O Mist, ich hab völlig vergessen, sie zurückzurufen.» Liz verspürte einen Stich in der Magengrube, ihr schlechtes Gewissen.
    «Macht nichts», antwortete Deborah unbekümmert. «Wir haben ein wenig geplaudert.»
    Liz griff nach einem Kuli und malte Kringel auf ihren Notizblock. «Ihr habt geplaudert? Worüber denn?»
    «Sie hat mir von dem Mann berichtet, den sie gesehen hat. Die Geschichte, die sie eigentlich dir erzählen wollte.»
    «Was? Einfach so?»
    «Nicht ganz, ich hab ein bisschen nachgeholfen. Sie ist hundertprozentig davon überzeugt, dass es diesmal anders war als sonst. Das klang alles ziemlich schräg. Angeblich stand der Typ in eurem Garten und hat sie angelächelt.»
    «Verdammt.» Liz drückte den Kuli so fest auf, dass sie ein Loch in das Papier stanzte. «Ich fürchte, es wird schlimmer. Vielleicht sollte ich mal mit ihr zum Arzt gehen.»
    «Ja, das musst du wohl. Sie ist nämlich absolut sicher, dass sie ihren Sohn auf dem Rasen hinter dem Haus gesehen hat. Verwechslung ausgeschlossen. Sie meinte, er wäre seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie ein Doppelgänger.» Deborah stockte. «Du, Liz, ist es möglich, dass deine Mutter ihren eigenen Mann im Garten gesehen und ihn in ihrer Verwirrung für den Sohn gehalten hat?»
    Liz hörte schlagartig auf zu malen. «Was hast du gerade gesagt?»
    «Könnte es sein, dass deine Mutter deinen Vater –»
    «Nein! Das andere. Das mit dem Doppelgänger.»
    «Sie sagte, er sehe aus wie ein Doppelgänger seines Vaters.»
    «Ich fürchte, sie verliert wirklich langsam den Verstand», sagte Liz leise. «Hendrik sah unserem Vater nie ähnlich. Ich habe seine roten Haare und seine helle Haut geerbt, aber Hendrik hatte das schwarze Haar und die dunklen Augen meiner Mutter.»

Freitag, 25. Oktober, 15:13 Uhr
    Georg Stadler sah zu, wie Liz in der Böschung herumkletterte. Es schien ihr nichts auszumachen, dass ihre Lammfelljacke am Geäst entlangschabte und ihre Stiefel in einer Kombination aus Erde, Müll und altem Laub versanken. Das gefiel ihm. Er mochte es, wenn Frauen attraktiv waren und auf ihr Äußeres achteten, aber es störte ihn, wenn sie vor lauter Angst, einen ihrer säuberlich lackierten Fingernägel abzubrechen, nicht einmal mehr einen Flaschenöffner in die Hand nahmen. Seine Exfrau hatte ihn für diese Einstellung verspottet. «Du bist schlimmer als die katholische Kirche», hatte sie immer gesagt. «Du willst, dass wir zugleich Hure und Heilige sind, mit dir durch dick und dünn gehen, aber trotzdem zu jeder Tageszeit aussehen, als wären wir soeben einem Modemagazin entsprungen. Solche Frauen gibt es nur im Film. Kauf dir ein Abo fürs Kino.»
    Komischerweise schien Liz Montario dieser Spagat mühelos zu gelingen. Sie sah auch mit verdreckten Stiefeln und Laub im Haar umwerfend aus.
    «War es hier?», rief sie ihm zu.
    «Noch ein Stück näher an der Mulde», antwortete er.
    Liz studierte das Foto in ihrer Hand und dann wieder die Stelle unterhalb des Bahndamms, wo man Manuel Geismann gefunden hatte. Schließlich erhob sie sich und ließ den Blick schweifen. «Merkwürdig», murmelte

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