Schwesterlein, komm stirb mit mir
leichter.»
Sie blickte auf. «Ich komme einfach nicht dahinter, was diesen Täter antreibt. Vielleicht bin ich doch nicht so gut, wie alle denken.»
«Quatsch. Der Fall
ist
ungewöhnlich, und natürlich können Sie ihn nicht im Alleingang lösen. Sie haben uns doch schon mehrfach wertvolle Hinweise gegeben. Zum Beispiel, wo wir das nächste Opfer finden würden. Vielleicht sind Sie ihm näher, als Sie denken.»
«Einen Sinn ergibt das für mich trotzdem nicht.» Liz nahm ihren Kaffeebecher, hob ihn an und stellte ihn wieder ab, ohne zu trinken. «Der Mörder von Manuel Geismann hat aus Wut gehandelt. Aus Hass. Er hat ihn für eine Frau gehalten, seinen Fehler bemerkt, und das hat eine Kurzschlussreaktion ausgelöst. Er hat Geismann umgebracht, um einen Drang in seinem Inneren zu befriedigen. Das ist die Parallele zu Leonore Talmeier. Auch sie wurde getötet, weil der Mörder an ihr etwas abreagieren wollte. Irgendeine diffuse Wut auf Frauen, die in seinen Augen keine sind. Die Tat war zwar geplant und geschah nicht im Affekt, aber das Motiv scheint mir ähnlich zu sein.»
Stadler runzelte die Stirn. «Und bei Tanja Matzurka erkennen Sie das nicht? Hier sind die Parallelen zum Fall Talmeier doch nicht zu übersehen.»
Liz schien zu zögern, dann sah sie unvermittelt auf. «Oberflächlich betrachtet schon. Aber mir erscheint das alles viel eher für ein Publikum inszeniert als zur Befriedigung eines inneren Drangs. Das Drumherum ist dem Täter wichtiger als die Tat selbst.» Liz hob erneut den Becher, nahm diesmal einen Schluck und verzog sofort angewidert das Gesicht.
«Schmeckt’s nicht? Möchten Sie etwas anderes trinken?»
«Eiskalt», antwortete Liz. «Ich habe zu lange gegrübelt.»
«Ich hole uns neuen.» Stadler ergriff die Becher und stand auf. «Auch was zu essen?»
«Nein danke.»
Als er sich wieder setzte, hatte sie etwas auf einem Block notiert, das er jedoch nicht auf die Schnelle entziffern konnte.
Sie nahm den Becher entgegen. «Was hat eigentlich die Autopsie ergeben? Gab es bei Tanja Matzurka signifikante Unterschiede zum Fall Talmeier, was die Verletzungen angeht?»
«In der Tat. Die Anzahl der Stiche in die Brust war erheblich geringer. Der Täter hat nur achtmal zugestochen.
Nur
klingt vielleicht zynisch, aber wenn man bedenkt, dass er bei Talmeier zweiunddreißigmal zugestochen hat, ist das schon auffällig. Außerdem wurden bei unserem letzten Opfer die Bauchspeicheldrüse, die Gallenblase und Teile des Darms entnommen. Nicht besonders fachmännisch, übrigens. Bei Leonore Talmeier hingegen hatte er die Organe nur verschoben, um Platz für die kleine Puppe zu machen.» Stadler spähte auf Liz’ Notizen.
«Vielleicht wollte er die große Babypuppe auch ursprünglich in der Bauchhöhle verstauen und hatte erst später die Idee, sie ihr an die Brust zu legen. Das würde erklären, warum er die Organe entnommen hat.» Liz klappte den Block zu.
«Keine schlechte Idee.»
«Fragt sich nur, warum.» Der Block verschwand in der Tasche.
«Wegen des dramatischen Effekts vielleicht?»
Liz sah ihn an. «Sehen Sie, genau das ist mein Problem. Serienmörder denken beim Töten nicht daran, welche Wirkung der Tatort auf die Menschen hat, die das Opfer finden. Sie folgen ihrem inneren Drehbuch, denn nur so kann die Tat sie befriedigen. Sie versuchen vielleicht im Nachhinein, die Leiche oder Teile davon verschwinden zu lassen oder das Szenario zu verfälschen. Zum Beispiel, wenn sie einen Raubmord wie ein Sexualdelikt aussehen lassen, indem sie das Opfer nach dem Tod entkleiden. Aber dass ein Täter schon während der Ausführung der Tat an sein Publikum denkt, ist wirklich ungewöhnlich.»
Stadler fixierte die Handtasche. «Verstehe.»
Liz folgte seinem Blick und grinste. «Nur ein Einkaufszettel.» Sie wurde wieder ernst. «Was ist mit dem anderen Fall, mit Ruben Keller? Gibt es da neue Erkenntnisse? Haben Sie Jan Schneider inzwischen gefunden?»
Stadler seufzte. «Wir warten auf die Unterlagen. Das Ganze läuft sehr schleppend. Und wir haben leider nicht viel in der Hand, um die Sache zu beschleunigen.»
Liz’ Gesicht zuckte.
Stadler presste die Lippen zusammen. Ihm war klar, dass sie ihm nicht alles erzählt hatte. Es ging nicht um ein neues Buch. So viel war sicher. Es musste eine Verbindung zwischen Elisabeth Montario, ihrem toten Bruder Hendrik Vermeeren und diesem Jan Schneider geben. Eine Verbindung, die darüber hinausging, dass Schneider das Bett angezündet hatte, in dem
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