Schwesterlein, komm stirb mit mir
mir wegen der Schule etwas einfallen lassen. Anrufen und ihn krankmelden.» Sie seufzte. «Ich habe keine Ahnung, wohin er ging und was er dort machte. Ob er irgendwo eine andere Frau hatte oder ob er – na ja, Sie wissen schon … Ich habe das jedenfalls respektiert. Und er hat im Gegenzug all die Jahre für mich gesorgt, obwohl ich ihm den Traum von einer eigenen Familie nicht erfüllen konnte.»
«Und jetzt ist er wieder weg?»
Marianne Burgmüller nickte. «Es sind inzwischen fast drei Wochen. So lange hat es noch nie gedauert.»
«Haben Sie darüber nachgedacht, die Polizei zu verständigen?»
Die Frau starrte Liz entsetzt an. «Niemals! Was soll ich denen denn sagen? Wenn ich einem Polizisten erzähle, was ich Ihnen gerade erzählt habe, wird der annehmen, dass Friedrich wohl endgültig die Nase voll hatte. Dort geblieben ist, wo es ihn all die Jahre hingezogen hat.»
Liz nickte. «Ja, vermutlich. Glauben Sie das auch? Dass er keine Lust hatte zurückzukehren?»
«Das würde er mir nie antun, da bin ich mir sicher.» Marianne Burgmüller straffte die Schultern. «Jetzt habe ich Sie mit meinen Sorgen behelligt, dabei sind Sie doch aus einem ganz anderen Grund hergekommen. Was wollten Sie denn von meinem Mann wissen? Was ist mit diesem Schüler?»
«Ich wollte Ihren Mann um eine Einschätzung bitten. Es geht um einen Jan Schneider. Hat er den Namen mal erwähnt?»
Marianne Burgmüller schüttelte den Kopf. «Nein, diesen Namen habe ich nie gehört.»
«Und Karim? Sagt Ihnen der Name Karim etwas?»
Die alte Frau runzelte die Stirn. «Hm. Ich glaube, einen Karim hat er mal erwähnt. Technisch begabt. Anständiger Kerl. Das waren seine Worte.» Sie musterte ihre Hände. «Aber ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich von einem Karim sprach. Vielleicht war es auch Karsten.»
Liz’ Mut sank. Marianne Burgmüller schien so gut wie nichts über die Arbeit ihres Mannes zu wissen. Selbst wenn er tatsächlich einmal einen Karim erwähnt hatte, hieß das nicht, dass es sich dabei um den Karim handelte, der Liz den Brief geschrieben hatte. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Noch nicht. «Wissen Sie zufällig, ob Ihr Mann seine alten Schülerlisten aufbewahrt hat? Ich müsste mit Karim sprechen, aber ohne einen Nachnamen kann ich ihn nicht ausfindig machen.»
«Ich weiß nicht, ob ich das darf. Die Schulsachen sind Friedrichs Heiligtum.»
«Ich werden alles so zurücklassen, wie ich es vorfinde. Ich brauche nur diesen einen Nachnamen.»
Marianne Burgmüller sah sie lange an. Dann nickte sie langsam: «Ich nehme an, es ist wichtig. Es geht um einen der Fälle, die Sie für die Polizei lösen, oder?»
«Es könnten Menschenleben davon abhängen.»
«Also gut», sagte Marianne Burgmüller. «Bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht mitkomme.» Sie deutete auf ihre Beine. «Aber Sie finden sich bestimmt auch ohne mich zurecht. Der Raum links neben der Eingangstür, das ist Friedrichs Arbeitszimmer. Die Schulsachen befinden sich in dem Aktenschrank. Er ist abgeschlossen, aber der Schlüssel steckt. Lassen Sie sich Zeit. Ich mache inzwischen frischen Kaffee.»
Samstag, 26. Oktober, 13:17 Uhr
Georg Stadler stützte den Kopf auf die Hände. Müdigkeit infiltrierte jeden Winkel seines Körpers. Gestern war er um Viertel vor zwölf nach Hause gekommen, und um fünf hatte er bereits wieder unter der Dusche gestanden und eiskaltes Wasser über seinen Körper laufen lassen, um wach zu werden. So ging es seit Tagen. Allmählich forderte der Schlafmangel seinen Tribut. Unerbittlich.
Inzwischen hatten sie zweihundertachtzig Zeugen befragt und etwa dreimal so viele Spuren gesichert. Aber ein Durchbruch war noch immer nicht in Sicht. Die größte Hoffnung setzten sie auf das anonyme Bekennerschreiben des religiösen Fanatikers, eins von mehr als zwei Dutzend, aber das einzige, das mit Täterwissen aufwartete.
Elisabeth Montario war auffällig still geblieben, nachdem sie den Brief gelesen hatte. Das mochte daran liegen, dass religiöser Fanatismus nicht in ihrem Täterprofil vorkam. Verletzter Berufsstolz. Dabei hatte sie vorhergesagt, dass der Täter sich bei der Polizei melden würde. Das bedeutete, dass sie erkannt hatte, wie er tickte, auch wenn die Details etwas anders aussehen mochten, als sie erwartet hatte.
Jedenfalls hatte die KTU einen halben Fingerabdruck auf dem Umschlag gesichert, und zwar im Inneren der Umschlagklappe. Das bedeutete, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit von der Person stammte, die das
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