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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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Aufteilen der Beute. Hendrik hatte ihr immer großzügig die besten Stücke überlassen, allerdings erinnerte Liz sich daran, dass ein besonders schöner funkelnder Stein eines Tages aus ihrer Sammlung verschwunden und in Hendriks Versteck wiederaufgetaucht war.
    Sie erreichte die Ausfahrt, fuhr ab und folgte dem Weg in das Viertel mit den alten Villen. Genau vor der Tür war ein Parkplatz frei. Liz blieb einen Augenblick sitzen und betrachtete nachdenklich das Haus. Vorhin hatte Marianne Burgmüller sie angerufen und ihr gesagt, dass sie ihr etwas erzählen wolle. Allerdings kein Wort davon, wo ihr Mann war. Ob sie ihn diesmal zu Hause antreffen würde? Nein, dann hätte Frau Burgmüller sich anders ausgedrückt.
    Wieder wurde Liz in der Küche erwartet, doch diesmal bot ihre Gastgeberin ihr Kaffee an. «Ich bin in der Zeitung über Ihren Namen gestolpert», sagte die alte Dame, während sie einschenkte. «Sie arbeiten mit der Polizei zusammen. Und Sie haben ein Buch geschrieben.»
    Aha. Daher also der Sinneswandel. Manchmal war eine gewisse Berühmtheit auch von Nutzen.
    Trotzdem wechselte Liz sofort das Thema und begann mit einer unverfänglichen Frage: «Sie haben es sehr schön hier. Wohnen Sie schon lange in diesem Haus?»
    «Seit fast vierzig Jahren. Damals war ich noch gesund und die Treppe kein unüberwindliches Hindernis.» Frau Burgmüller lächelte traurig. «Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Nachts hört man die Tiere im Zoo, mit den Jahren habe ich sogar gelernt, die einzelnen Laute auseinanderzuhalten.» Sie wurde ernst. «Was wollten Sie von meinem Mann wissen?»
    Liz zögerte. Sie hätte Friedrich Burgmüller lieber selbst gefragt, doch sie wagte nicht, nach seinem Verbleib zu fragen, jetzt, wo seine Frau endlich gesprächsbereit war. «Es geht um einen ehemaligen Schüler Ihres Mannes. In der Jugendhaftanstalt Siegburg. Ihr Mann hat doch dort unterrichtet?»
    Marianne Burgmüller nickte. «Ja, er war über zwanzig Jahre Lehrer in Siegburg. Als sich ihm die Möglichkeit bot, aus dem normalen Schuldienst an die Schule der Haftanstalt zu wechseln, hat er nicht lange gezögert. Es war immer sein Wunsch gewesen, denen zu helfen, die die Gesellschaft bereits aufgegeben hat.»
    «Und er war die ganze Zeit in Siegburg?»
    «Zwischendurch hat er ein knappes Jahr lang hier in Wuppertal-Vohwinkel gearbeitet, das war nach dem Brand in Siegburg. Und danach war er bis zu seiner Pensionierung wieder dort. Mathematik und Physik hat er unterrichtet. Er hat immer daran geglaubt, etwas bewirken zu können bei diesen jungen Leuten. Er hat sie nie aufgegeben. Aber …»
    «Aber?»
    «Ach, ich weiß nicht.» Die alte Frau hob hilflos eine Hand. «In den letzten Jahren war er sehr frustriert. Er ist nicht mehr so gern zur Arbeit gegangen wie früher.»
    «Hatte er Schwierigkeiten mit den Jugendlichen?»
    Die Frau schüttelte den Kopf. «Nein, das glaube ich nicht. Zumindest nicht mehr als sonst auch. Er hat sie immer respektiert, und deshalb haben sie ihm auch Respekt entgegengebracht. Ich glaube, das System hat ihn kaputtgemacht.»
    «Das System? Meinen Sie den Strafvollzug?»
    «Ich bin mir nicht sicher. Friedrich wollte nicht darüber reden. Er hat lediglich ein paar Andeutungen gemacht. Über Recht und Gerechtigkeit. Über Feigheit. Korruption. Vertuschung von Fehlern und Missständen. Ich habe nicht nachgefragt.»
    Liz beugte sich vor. Jetzt oder nie. «Was ist mit Ihrem Mann? Wo steckt er?»
    Marianne Burgmüllers Gesichtszüge ließen Trauer und Resignation erkennen. «Ich weiß es nicht. Er ist einfach nicht wiedergekommen.»
    «Er ist nicht wiedergekommen? Von wo? Und wie lange ist er schon fort?»
    Die Frau senkte den Blick. «Sie verstehen das nicht.»
    «Vielleicht können Sie es mir erklären?»
    Marianne Burgmüller sah sie an. «Wir waren erst wenige Jahre verheiratet, als bei mir die Krankheit diagnostiziert wurde.» Sie klopfte auf ihre Beine. «Ich hatte Glück, sie nahm einen langsamen, harmlosen Verlauf, nur das Gehen fiel mir schon bald recht schwer. Deshalb musste ich meine Arbeit aufgeben. Und Kinder bekamen wir auch nicht.» Sie verstummte.
    Liz wollte sie nicht bedrängen, sie trank von ihrem Kaffee und wartete.
    Schließlich sprach die Frau stockend weiter. «Ich weiß nicht mehr, wann es losging. Es ist schon so lange her. Friedrich verschwand für eine Weile, immer mal wieder. Manchmal für einen Tag, manchmal für ein Wochenende. Hin und wieder blieb er länger weg, dann musste ich

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