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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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Blatt in den Umschlag gesteckt hatte. Auffällig viel Nachlässigkeit für einen Mann, der ansonsten so penibel plante. Andererseits hatte die Montario ja gesagt, dass er ein Spieler sei, der das Risiko liebt. Und dann gab es ja auch noch die Täter, die gefasst werden wollten und aus diesem Grund absichtlich Fehler begingen.
    Der Abgleich mit AFIS , der digitalisierten Fingerabdruckkartei, hatte nichts gebracht. Im Augenblick wurde der Abdruck mit den Spuren aus dem Kreißsaal verglichen, die fast alle von Personen stammten, die in dem Krankenhaus arbeiteten.
    Es klopfte. Jürgen, ein Kollege von der KTU , spähte ins Zimmer. «Ich hatte gehofft, dich hier zu finden, Georg», sagte er und zog die Tür hinter sich zu.
    «Gibt’s was Neues?»
    «Leider nicht. Wir sind noch dabei, die Abdrücke vom Tatort einzuscannen.» Jürgen gähnte und ließ sich auf Birgits Platz nieder. Auch er sah müde aus. Die unzähligen Fältchen um seine Augen waren tiefer als sonst, der gezwirbelte Schnauzbart wirkte ungepflegt.
    «Kaffee?», fragte Stadler.
    «Nein danke. Ich muss auf meinen Magen achten.»
    «Das sollte ich auch», gab Stadler zu. «Aber ohne zwei Liter Kaffee am Tag stehe ich so eine Ermittlung einfach nicht durch.»
    «Wem sagst du das …» Wieder gähnte Jürgen, dann senkte er den Blick und studierte den Fußboden.
    Stadler betrachtete seinen Besucher mit zusammengekniffenen Augen. Irgendetwas hatte er auf dem Herzen, rückte damit aber nicht heraus.
    «Wie lange kennen wir uns, Jürgen?»
    «Keine Ahnung. Zwanzig Jahre?» Sein Kollege zuckte mit den Schultern.
    «Lange genug jedenfalls, um zu wissen, dass du bei mir nicht um den heißen Brei herumreden musst», sagte Stadler. «Also sag schon, was ist los?»
    Jürgen betrachtete seine Fingerspitzen. «Ich mache mir Sorgen um Linda.»
    «Sorgen? Wieso?» Stadlers schlechtes Gewissen schlug auf der Stelle erbarmungslos zu. Hatte Linda sich etwa bei ihrem Kollegen ausgeheult? Das traute er ihr eigentlich nicht zu. Er hatte eher damit gerechnet, dass sie versuchen würde, ihm beruflich eins auszuwischen.
    «Na ja. Ich halte diesen Trauerfall für einen Vorwand. Sie hat sich am Donnerstag die ganze Zeit so komisch verhalten und dann …»
    «Moment mal, ich kapiere gerade gar nichts», unterbrach ihn Stadler. «Bitte, der Reihe nach.»
    «Entschuldige. Ich dachte, du wüsstest Bescheid. Sie hat ja offenbar einen Narren an dir gefressen, deshalb nahm ich an, dass sie dich ebenfalls informiert hat. Linda ist gestern nicht zur Arbeit erschienen. Irgendwann im Laufe des Vormittags kam eine SMS , sie hätte einen Trauerfall in der Familie und würde ein paar Tage Urlaub nehmen.»
    «Davon hatte ich keine Ahnung. Weißt du, wer gestorben ist?»
    «Das scheint niemand zu wissen. Jedenfalls war sie schon den ganzen Donnerstag komisch drauf. Du weißt also auch nichts?»
    Stadler schüttelte den Kopf. «Leider nein. Vielleicht war sie bereits über den Todesfall informiert, als sie am Donnerstag zur Arbeit kam, und dachte, sie könne das durchstehen. Und dann hat sie es doch nicht ausgehalten und ist Freitag lieber zu Hause geblieben. Du weißt ja, wie irrational Menschen sich in solchen Situationen verhalten – Trauer überfordert die meisten von uns.» Stadler war froh, dass Linda sich nicht seinetwegen so seltsam verhalten hatte. Sie musste noch in der Nacht nach ihrem misslungenen Date die schlimme Nachricht erhalten haben. Vielleicht sollte er sie anrufen. Nein, besser nicht. Vermutlich war er der Letzte, mit dem sie jetzt reden wollte.
    Jürgen schüttelte den Kopf. «Komisch ist es trotzdem. Ich habe den ganzen Donnerstag mit ihr in einem Raum gearbeitet. Sie war nicht traurig oder schockiert. Eher verbissen. So als wolle sie etwas beweisen. Das hat sie wohl auch. Irgendwas hat sie entdeckt, aber sie hat mir nicht erzählt, was es war.»

Sonntag, 27. Oktober, 11:20 Uhr
    Das Wetter hatte über Nacht gehalten, und auch der Sonntag versprach, sonnig und mild zu bleiben. So mild, dass man sogar draußen einen Kaffee trinken konnte.
    Liz lehnte sich zurück und sah Deborah an. «Es war eine tolle Idee, einen Ausflug zu machen und den Tag zu genießen.» Sie waren nach Langenberg im Bergischen Land gefahren, hatten dort erst einen Spaziergang in der Nähe des Bismarckturms gemacht, und nun saßen sie in der Altstadt in einem Straßencafé und streckten ihre Gesichter der Sonne entgegen.
    «Na ja, es ist schließlich mein Abschiedstag», antwortete Deborah. «Ich muss

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