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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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erzählt?»
    «Nein», stieß Liz so laut hervor, dass die Familie am Nachbartisch erschrocken verstummte. «Das geht ihn nichts an», fügte sie mit gesenkter Stimme hinzu.
    «Das geht ihn nichts an? Und was ist mit deinem Verdacht, dass der Junge von der Uni wegen seiner Recherche für dich umgebracht wurde?»
    Liz schluckte. «Das habe ich Stadler erzählt. Und ich habe ihm auch gesagt, dass Jan Schneider etwas damit zu tun haben muss. Ich habe nur die Briefe nicht erwähnt.»
    «Hat die Polizei schon etwas über diesen Schneider herausgefunden?»
    «Leider nein. Sie warten noch auf die Unterlagen. Keine Ahnung, warum das so lange dauert. Im Fernsehen ist das immer nur ein Anruf oder ein kurzer Blick in den Computer. Im wirklichen Leben ist Polizeiarbeit ein Labyrinth aus Bürokratie. Das hätte ich mir nie so vorgestellt.»
    Deborah fuhr mit dem Zeigefinger durch den Milchschaum ihres Kaffees und leckte ihn ab. «Weder der Job noch die Kommissare sind im wirklichen Leben so sexy wie im Fernsehen», verkündete sie. «Dein Herr Stadler natürlich ausgenommen.»
    «Herrje Deb, du kennst ihn doch gar nicht.»
    «Aber ich kriege mit, wie du auf ihn reagierst.»
    «Du kriegst gleich mit, wie ich auf dich reagiere!»
    «Vergebung!» Deborah hob schützend die Hände vor das Gesicht. «Mach lieber endlich den Brief auf.»
    Liz nahm den Kaffeelöffel, schob ihn an der Seite in die Lasche und riss den Umschlag auf. Wieder ein einzelnes Blatt, wieder war die Nachricht mit Schreibmaschine getippt. Sie war noch knapper als alle vorherigen, bestand nur aus einem einzigen Wort:
dito
.

Montag, 28. Oktober, 10:46 Uhr
    Die Sonne und die Wärme waren so unvermittelt verschwunden, wie sie gekommen waren. Gestern noch hatte sie mit Liz im Straßencafé gesessen, heute sah es aus, als bräuchte sie Wintermantel und Handschuhe, wenn sie nach draußen ging. Wind zerrte an den Ästen der Bäume, die das Rheinufer säumten, graue Wolken jagten über den Himmel. Deborah stand in der Balkontür, rauchte und dachte nach. Sie könnte hierbleiben und Liz beistehen. Die wenigen Termine, die sie in den nächsten Tagen hatte, ließen sich verschieben. Die Frage war, ob Liz das überhaupt wollte.
    Deborah nahm einen tiefen Zug und versuchte, sich in ihre Freundin hineinzuversetzen. Es gelang ihr nicht. Liz und sie waren grundverschieden. Liz war verschlossen und voller Skrupel. Sie selbst würde ganz anders damit umgehen, wenn sie solche Briefe bekäme. Sie würde sie entweder ungelesen wegwerfen oder, wenn sie in ihnen eine ersthafte Bedrohung sähe, die Polizei so lange nerven, bis man die Sache richtig ernst nahm und Ermittlungen einleitete. Alles, nur nicht dieses unentschlossene Hin und Her.
    Aber es stand ihr nicht zu, Liz’ Verhalten zu bewerten. Sie war nicht mit einem älteren Bruder aufgewachsen, der sich als Serienmörder entpuppt hatte. So etwas warf jeden aus der Bahn. Ein Wunder, dass Liz ihr Leben trotz dieser Katastrophe so gut im Griff hatte.
    Deborah drückte die Zigarette aus und warf sie vom Balkon. Ein dicker Tropfen klatschte auf ihre Hand. Jetzt fing es also auch noch an zu regnen. Na wunderbar. Sie ging zurück ins Gästezimmer, um ihren Koffer zu packen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch fast zwei Stunden Zeit hatte, bis sie abgeholt wurde. Sie warf den Koffer auf das Bett und begann, wahllos ihre Kleidung hineinzuwerfen. Sie hatte nie zu den Frauen gehört, die alles ordentlich verstauten, um Platz zu sparen oder nichts zu verknittern. Lieber wählte sie einen großen Koffer und bügelfreie Blusen.
    Vor dem Fenster hupte ein Wagen, und Deborah warf einen Blick nach draußen, dankbar für die Unterbrechung. Auf dieser Seite der Wohnung gab es keinen Rheinblick, sondern eine kleine Wohnstraße. Deborah spähte durch die Scheibe. Immer mehr Tropfen malten ein Muster auf den Bürgersteig, doch der heftige Guss ließ noch auf sich warten. Von dem Auto, das gehupt hatte, war nichts zu sehen. Auch ansonsten schien die Straße leer.
    Doch dann entdeckte Deborah etwas vor der Haustür und zog erschrocken den Kopf zurück.

Montag, 28. Oktober, 11:21 Uhr
    «Es gibt eine Übereinstimmung!» Georg Stadler platzte in das kleine Büro, in dem Liz mal wieder allein über den Akten saß.
    «Der Fingerabdruck auf dem Bekennerschreiben?», fragte sie und musste dabei an den anonymen Brief denken, den sie selbst bekommen hatte und der so ganz anders war als die religiösen Ereiferungen des angeblichen

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