Schwesterlein, komm stirb mit mir
sollen die Wohnung auseinandernehmen. Ich möchte, dass alles, was irgendwie helfen könnte, den Kerl zu überführen, sichergestellt wird.»
Birgit nickte und zückte das Funkgerät. Während sie in den zweiten Stock stiegen, gab sie die Anweisungen durch. Oben angekommen, blieb Stadler vor der Wohnungstür stehen, wo ein weiterer SEK -Mann Wache hielt. Er wollte die Räume nicht ohne Schutzkleidung betreten.
«Wie sieht es dadrinnen aus?», fragte er den Kollegen.
«Wie ’ne Hippiebude», erwiderte der achselzuckend. «Bunte Teppiche an den Wänden, Traumfänger an den Fenstern, überall Kerzen und bestickte Kissen. Über dem Bett ein kitschiges Madonnenbildnis. Müffelt nach Räucherstäbchen.»
«Wie in der Wohnung einer Frau», sagte Stadler mehr zu sich selbst.
«Genau.» Der Mann nickte. «Was will man auch erwarten von einer männlichen Hebamme.»
«Geburtshelfer», verbesserte Stadler.
«Wie auch immer.»
Birgit schaltete sich in das Gespräch ein. «Die KTU ist unterwegs.» Neugierig spähte sie durch den Türspalt. «Glaubst du, Grothe ist unser Mann, Georg?»
Stadler fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Es schien alles zu passen. Die Fingerabdrücke von Jonathan Grothe waren nicht nur am Tatort sichergestellt worden, sondern auch auf dem Umschlag des anonymen Bekennerschreibens. Die Abdrücke aus dem Kreißsaal bewiesen natürlich nichts, der Mann arbeitete schließlich dort. Genau das war jedoch auch das Interessante, denn es löste das Rätsel, wie der Täter unbemerkt mit seinem Opfer bis zum Tatort gelangen konnte. Grothe hatte berufsbedingt die Möglichkeit, sich unauffällig im Krankenhaus zu bewegen. Er fiel nicht auf, weil er dazugehörte. Hinzu kamen einige andere Punkte, die für Grothe als Täter sprachen. Er wirkte so harmlos, dass es für ihn vermutlich leicht war, sich einer Frau zu nähern, ohne deren Misstrauen zu erregen. Zudem schien er eine ausgeprägt feminine Seite zu haben, mit der er womöglich haderte. Hatte Elisabeth Montario nicht etwas von einem unterdrückten Drang, Frauenkleider zu tragen, erzählt? Und hier hatten sie einen Verdächtigen, der ausgerechnet als Geburtshelfer arbeitete, einen Pferdeschwanz trug und in seiner Wohnung Räucherstäbchen abbrannte. Das passte doch.
«Ich hoffe es», antwortete Stadler auf die Frage seiner Kollegin. «Ich will, dass dieser Wahnsinn ein Ende hat.»
Montag, 28. Oktober, 18:15 Uhr
Liz zögerte, bevor sie Gas gab und den Golf in den dunklen Schlund der Garageneinfahrt lenkte. Für Sekundenbruchteile blitzten die Bilder der ermordeten Tanja Matzurka vor ihren Augen auf, dann sprang die flimmernde Beleuchtung der Garage an und machte dem Spuk ein Ende. Sie stellte den Wagen auf seinem Platz in der Nähe des Aufzugs ab und stieg aus. Der Mörder von Tanja Matzurka konnte sie nicht mehr erschrecken, er war gefasst.
Stadler hatte sie einen Blick auf den Festgenommenen werfen lassen, bevor er im Vernehmungszimmer verschwand und sie nach ihrer Meinung gefragt. Was hätte sie sagen sollen? Der Mann sah nicht so aus, wie sie es erwartet hatte. In ihrer Vorstellung war der Täter unauffällig und kontrolliert. Jemand, der in der Menge verschwand, nicht jemand, der unter anderen Menschen auffiel wie ein Osterhase zu Weihnachten. Sie war davon ausgegangen, dass der Mörder eher konservative Wertvorstellungen hatte, dass ihm seine Männlichkeit wichtig war und er alles Feminine an seinem Erscheinungsbild unterdrückte.
Doch all das hatte sie Stadler nicht gesagt. Sie hatte behauptet, dass sie allein anhand seines Aussehens keine Rückschlüsse ziehen wolle, und ihm bei der Vernehmung viel Erfolg gewünscht. Vielleicht täuschte sie sich und er war tatsächlich der Täter. Vielleicht rührte ihr ungutes Gefühl daher, dass sie sich über ihre Fehleinschätzung ärgerte. Verletzter Stolz.
Liz knallte die Wagentür zu. Nein, es war noch etwas anderes. Sie wollte sich nicht blamieren. Bisher hatte sie der Polizei gute Hinweise geliefert. Stadler schien sehr angetan von ihren Fähigkeiten, und das schmeichelte ihr. Wenn sie jetzt eine falsche Einschätzung abgab, wenn sie sich in Bezug auf Grothe täuschte und er doch der Täter war, würde das alles ändern.
Wütend schloss Liz den Golf ab. Es ärgerte sie, dass Stadlers Meinung ihr wichtig war. Dass sie ihm gefallen wollte. Wie albern!
Hinter ihr knackte es. Liz fuhr herum, doch es war nur das Garagentor, das sich geräuschvoll wieder schloss.
Sie lief zum Aufzug und drückte den
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