Schwesterlein, komm stirb mit mir
mit deinem Date alles in Ordnung?»
«Mir geht es prima. Mein Verehrer kommt in einer Stunde. Ich habe nur eine kurze Frage: Kennst du einen Typen mit dunklen, leicht welligen Haaren? Normal gebaut, kein Bart, auch sonst nichts Auffälliges.»
«Die Beschreibung trifft etwa auf jeden dritten Mann zu, den ich kenne. Geht’s nicht genauer?»
«Sorry, aber viel mehr kann ich nicht erkennen.»
«Du kannst nicht mehr erkennen?» Liz nahm die Beine vom Tisch. «Sag mal, Deb, wovon redest du eigentlich?»
«Ich wollte nur wissen, ob dir die Beschreibung bekannt vorkommt. Ach ja, er trägt eine Jeansjacke.»
Liz dachte an Boy, den Mann aus der Therapiegruppe. Er trug meistens eine Jeansjacke, und dunkle Haare hatte er ebenfalls. «Schon möglich, dass ich so jemanden kenne», sagte sie ausweichend. «Wieso fragst du?»
«Der Typ steht unter deinem Fenster und starrt nach oben. Und das im strömenden Regen.»
Montag, 28. Oktober, 15:32 Uhr
Die beiden nicht gekennzeichneten Vans hielten hinter einer Straßenecke, sodass sie von der Wohnung aus nicht zu sehen waren. Männer sprangen heraus, schwer bewaffnet und mit Schutzwesten und Helmen ausgestattet. Sie versammelten sich kurz um den Einsatzleiter, bevor sie ausschwärmten.
Stadler hatte nicht lange gefackelt, nachdem der Fingerabdruck zugeordnet worden war. Nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt hatte er sofort das SEK angefordert. Bei einem mutmaßlichen Serienmörder konnte der Aufwand nicht groß genug sein. Stadler stieg aus dem Passat, mit dem er den Vans des SEK gefolgt war. Auf der Beifahrerseite öffnete Birgit Clarenberg die Tür.
«Hoffentlich ist er überhaupt zu Hause», sagte sie.
«Ich habe vor zehn Minuten angerufen und so getan, als hätte ich mich verwählt. Da habe ich ihn aus dem Schlaf gerissen.»
«Er lag im Bett?»
«Laut Verwaltung hat er diese Woche Nachtschicht.»
Langsam schlenderten Stadler und Birgit um die Straßenecke. Für einen Unbeteiligten mochten sie aussehen wie zwei gewöhnliche Spaziergänger, die sich nicht weiter für ihre Umgebung interessierten, doch der Eindruck täuschte. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem Gebäude mit rotbraun verklinkerter Fassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite, einem schlichten Mietshaus auf dem Fürstenwall, ganz in der Nähe des Evangelischen Krankenhauses.
Stadler presste die Lippen zusammen. Mit jedem Schritt wuchs seine Unruhe. Was passierte gerade hinter den Fenstern im zweiten Stock? Waren die Beamten auf Widerstand gestoßen? Warum dauerte das so lange? Er atmete ganz bewusst ein und aus, doch das Kribbeln in seinem Bauch legte sich nicht. Ein solcher Einsatz bedeutete immer ein Risiko. Einmal war er dabei gewesen, als eine Operation des SEK aus dem Ruder gelaufen war. Ein Mann, der im Zusammenhang mit einer Reihe von Wohnungseinbrüchen gesucht wurde, sollte festgenommen werden. Ein Routineeinsatz. Das SEK war hinzugebeten worden, weil der Verdächtige bei einer Jahre zurückliegenden Vernehmung aus heiterem Himmel ausgerastet war. Doch niemand hatte mit dem gerechnet, was die Beamten in der Wohnung erwartete. Der Mann war bis an die Zähne bewaffnet und eröffnete sofort das Feuer. Es gelang ihm sogar, einen Sprengsatz zu zünden, den er zuvor im Treppenhaus angebracht hatte, bevor ihn eine tödliche Kugel traf.
Als Stadler und Birgit Clarenberg die Haustür erreichten, knackte es im Funkgerät. «Zielperson gefasst. Kein Widerstand, keine weiteren Personen in der Wohnung.»
«Gott sei Dank.» Stadler stieß die Luft aus, die er unwillkürlich angehalten hatte.
Wenige Augenblicke später kam der Einsatzleiter aus dem Haus und hob den Daumen. «Alles glattgegangen. Der Kerl war lammfromm.»
«Das sind ja mal gute Nachrichten», antwortete Stadler und betrat das Gebäude. Im Treppenhaus kamen ihm zwei SEK -Beamte entgegen, die den Festgenommenen abführten: Jonathan Grothe, Geburtshelfer im Evangelischen Krankenhaus. Stadler öffnete ungläubig den Mund, als er den Mann erblickte.
Jonathan Grothe war stark übergewichtig, seine langen hellbraunen Locken hatte er mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Bekleidet war er mit einer dunkelgrünen Jogginghose und einem orangefarbenen T-Shirt, an den Füßen trug er weinrote Clogs. Er hielt den Kopf gesenkt, als er an Stadler vorbeigeführt wurde.
«So habe ich mir den aber nicht vorgestellt», raunte Birgit Stadler zu.
«Man sieht es niemandem an», gab der zurück. «Lass die KTU herkommen. Die
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