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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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nichts passiert, das ist es ja gerade. Wir waren was trinken, danach hat Linda mich zu sich eingeladen, doch ich habe abgelehnt.»
    «Das ist alles? Du musst ihr doch irgendwie Hoffnung gemacht haben.»
    Stadler seufzte. «Ich war womöglich nicht ganz so abweisend, wie ich es hätte sein sollen. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sie es sich so zu Herzen nimmt. Versteh einer die Frauen!»
    Birgit sah ihn nachdenklich an. «Hoffen wir, dass es tatsächlich nur Liebeskummer ist.»
    «Wie meinst du das?», fragte Stadler erschrocken.
    «Na ja, wenn sie nicht deinetwegen untergetaucht ist, muss es einen anderen Grund geben. Und dann müssen wir auch in Erwägung ziehen, dass sie nicht freiwillig von der Bildfläche verschwunden ist.»

Dienstag, 29. Oktober, 17:42 Uhr
    Feuerhexe heulte wieder einmal. Liz tat die Frau leid, sie konnte nur erahnen, welche Qualen sie Tag für Tag litt. Häufig half es Liz, hautnah zu erleben, dass andere Menschen gleich Schlimmes oder sogar Schlimmeres durchgemacht hatten als sie selbst. Doch nicht immer hatte sie die Kraft, gelassen zu bleiben. Heute ging ihr Feuerhexe auf die Nerven, und sie war nicht die Einzige. Eben hatte sie einen Blick mit Boy getauscht, und er hatte die Augen verdreht und ihr zugezwinkert.
    Es kam ihr lächerlich vor, dass sie geglaubt hatte, dieser Mann könne vor ihrem Fenster Stellung bezogen haben wie ein feiger Stalker. Seine ganze Ausstrahlung war viel zu selbstbewusst und souverän. Einer wie er hatte es nicht nötig, einer Frau hinterherzuspionieren, er konnte sie einfach ansprechen.
    Es war plötzlich stiller geworden. Liz blickte auf. Schattenkind hatte Feuerhexe in den Arm genommen und tröstete sie mit leisen Gurrlauten. Es schien zu helfen.
    Monika wartete lächelnd ab. «Danke, Schattenkind», sagte sie dann. «Ich glaube, du hast Feuerhexe heute sehr geholfen.»
    Schattenkind wurde rot und schlich auf ihren Platz zurück.
    Monika wandte sich in die andere Richtung. «Boy, wie war deine Woche?»
    Boy schaute kurz zu Liz, bevor er antwortete. Er wirkte mit einem Mal überhaupt nicht mehr souverän. Im Gegenteil, er sah aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Verdammt! Hatte er womöglich doch etwas zu verbergen? Verbrachte er seine Freizeit damit, unter Liz’ Fenster zu stehen? Aber warum? Was wollte er von ihr?
    Der Rest des Abends verlief unspektakulär. Boy vermied es, Liz noch einmal anzusehen, und als Liz an der Reihe war, erzählte sie von Rubens Tod, ohne genau zu erklären, warum sie sich seinetwegen schuldig fühlte.
    Auf dem Parkplatz wartete Liz auf Boy und sprach ihn an. Besser den Stier bei den Hörnern packen, als sich eine weitere Woche mit Zweifeln plagen. «Du bist heute auch mit dem Auto da?», fragte sie. «Ich dachte, du wohnst in der Nähe und kommst immer zu Fuß?»
    Sie trafen sich in Wersten, einem Stadtteil in der Nähe der Universität. Der Treffpunkt war einer der Gründe gewesen, warum Liz gerade diese Gruppe ausgewählt hatte. Sie musste sich jedes Mal überwinden herzukommen, denn sie hasste es, ihre tiefsten Ängste vor Fremden auszubreiten. Aber die Nähe zu ihrem Arbeitsplatz machte es ihr schwerer, sich Ausreden auszudenken. Als sie der Gruppe beigetreten war, hatte sie ihr Seminar dienstags gegeben, sodass sie direkt im Anschluss zu den Treffen fahren konnte.
    «Ich bin heute nicht von zu Hause aus hergekommen», antwortete Boy, ohne sie anzusehen. «Ich hatte vorher noch was zu erledigen.»
    «Ach so», sagte Liz gedehnt. «Ich wohne eigentlich auch ganz nah, aber ich bin zu bequem, um zu laufen.» Das war glatt gelogen, bis nach Benrath wäre sie zu Fuß mindestens eine halbe Stunde unterwegs, aber sie wollte ihn testen.
    In Boys Gesicht zuckte es kurz, seine braunen Augen wirkten mit einem Mal fast schwarz. Liz war plötzlich ganz sicher, dass er genau wusste, wo sie wohnte.
    «Lust, noch irgendwo etwas trinken zu gehen?», fragte er, den Blick starr auf den Boden gerichtet.
    «Nein.»
    Er zuckte zusammen wie unter einem Schlag.
    «Ich meine, Lust schon», verbesserte Liz sich rasch. «Aber keine Zeit. Leider. Vielleicht nächste Woche?»
    «Ja, vielleicht.» Er wandte sich ab.
    Liz blickte ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Sie wurde nicht schlau aus ihm. Mal wirkte er lässig und selbstbewusst, mal ängstlich und verklemmt. Wie ein schillernder Fisch, der die Farbe wechselte, je nachdem, wie das Licht auf seine Schuppen fiel.
    Irgendwo sprang ein Motor an, Scheinwerfer frästen sich durch das

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