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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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irgendwas damit zu tun hat?«
    »Ich hab dich schon verstanden«, erklärte Jan-Ole. »Du überlegst immer noch, ob dieser Mikke und dein Aksel identisch sein könnten.«
    »Es passt nicht wirklich, das ist mir klar. Nicht nur, weil Julia sagt, Mikke würde völlig anders aussehen, sondern auch, weil … Ich weiß es einfach nicht, Jan-Ole, aber ich habe irgendwie ein ungutes Gefühl dabei, als ob ich etwas übersehen würde. Wenn Julia mir wenigstens mal ein Foto von ihm gezeigt hätte!«
    »Du hast mit ihr darüber gesprochen, sie weiß also, worum es geht. Aber wenn es dich beruhigt: Ich habe da auch noch mal nachgehakt und sie zumindest mit der Möglichkeit konfrontiert, ob Mikke etwas mit dem Verschwinden von Marie zu tun haben könnte, aber sie scheint sich sicher zu sein.« Er hob resigniert die Schultern. »Sie ist vierundzwanzig, Merette, sie ist sehr wohl in der Lage, sich ein Urteil zu bilden. Wir können uns nicht einfach über ihre Einschätzung hinwegsetzen und so tun, als wäre sie immer noch ein Kind.«
    »Aber du selber …«
    Jetzt reagierte er fast unwirsch. »Das bringt uns nicht weiter! Wir müssen Mikke mal außen vor lassen, zumindest für den Moment.«
    Merette hatte den Eindruck, dass Jan-Ole an diesem Punkt genauso schwamm wie sie selbst und sie nur nicht weiter beunruhigen wollte.
    Er griff nach seiner Kaffeetasse und platzierte sie zwischen ihnen auf dem Tisch.
    »Theorie eins«, sagte er, »wir wissen, dass Carlos oderKarl hier in Bergen sein muss. Er hat Marie noch lange nicht vergessen, aber er hält sich an die Auflagen und unternimmt keinen Versuch, sie zu kontaktieren. Und dann sieht er sie rein zufällig, wie sie aus dem Bahnhof kommt. Vielleicht war er selber gerade an dem Kiosk, um sich Kippen zu holen oder was auch immer. Oder er sieht sie erst, als sie schon auf dem Weg zu Julia ist. Es spielt keine Rolle, wo, aber sie läuft ihm zufällig über den Weg. Und Bergen ist nicht Oslo, er muss also keine direkte Sorge haben, dass Marie womöglich den erstbesten Polizisten um Hilfe bittet, der Überraschungseffekt ist ganz klar auf seiner Seite, er reagiert spontan und schnappt sich Marie.«
    »Klingt irgendwie sehr weit hergeholt«, wandte Merette ein. »Und ich dachte, wir suchen nach einer Verbindung zu Aksel, meinem Patienten?«
    »Richtig. Aber warte einen Moment. Theorie zwei: Carlos ist identisch mit Aksel.« Jan-Ole griff nach Merettes Kaffeetasse und stellte sie auf seine eigene. »Er hat Probleme mit unbezahlten Rechnungen und irgendwelchen Ämtern und kriegt das allein nicht in den Griff. Er bekommt einen Betreuer zugeteilt, der ihn wieder in die Spur bringen soll. Der Betreuer verschafft ihm einen Job als Koch und wird hellhörig, als es um diese Geschichte da mit dem Bedienmädchen geht, der Betreuer erinnert sich daran, dass es während Aksels Ausbildung ähnliche Vorfälle gab, die sich allerdings nicht konkret auf Aksel bezogen, dennoch fordert er ein psychologisches Gutachten an, weil ihm die Sache zumindest auffällig erscheint. Aksel landet bei dir und … Du bist dran. Deine Einschätzung!«
    »Er hat ein grundsätzliches Problem mit Psychologen, weil er sie für seine verkorkste Jugend verantwortlichmacht, für den wiederholten Wechsel der Pflegefamilien, für seine endgültige Einweisung ins Heim. Er hat das Gefühl, dass sie ihm nicht geholfen, sondern ihn immer nur herumgeschubst haben, dass er ihrer Willkür hilflos ausgeliefert war …«
    »Und er ist ein Narzisst, er hat ein übersteigertes Geltungsbedürfnis, er bezieht alles auf sich. Deshalb will er jetzt beweisen, dass er derjenige ist, der die Kontrolle hat.«
    »Er beginnt ein Machtspiel mit mir. Er versucht mich mit einem Geständnis auszuhebeln, von dem er genau weiß, dass er mich damit in eine Situation bringt, die mich quasi handlungsunfähig macht.«
    »Außerdem erkennt er schnell, an welchem Punkt du ungeschützt bist. Wie auch immer es ihm gelingt, aber er findet heraus, dass du eine Tochter hast. Er droht dir mehr oder weniger versteckt mit seinem Wissen, und du bestätigst ihm ungewollt durch deine Reaktion, dass er tatsächlich deine Achillesferse entdeckt hat. Aber jetzt will er das auch zu Ende bringen, du sollst einmal spüren, wie es ist, jemand anderem vollkommen ausgeliefert zu sein. Er will Julia benutzen, um dich fertigzumachen. Dass er da womöglich irgendein perverses Ding mit Mädchen oder jungen Frauen laufen hat, kommt ihm dabei sogar noch gelegen. Aber selbst wenn nicht,

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