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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Es hat die vorstechende Nase in den Kelch gebohrt, als über den Gartenzaun hinweg plötzlich die Stimme von Mutter erschallte. Sie ließ sich bei ihrer Rosengartentätigkeit nicht unterbrechen. So lange die Nase riechen kann, riecht sie. Gartenzaun, Mutter, Röslein, Gipfel, Wipfel. Die Mutter hat ihre Nase aus den vertrocknenden Blütenkelchen herausgezogen. Ehrfurcht riecht nach Angst. Bewunderung nach Liebe. Die Frau war alt, sie hat gerade noch stolz das Kinn gehoben und würdevoll gesagt: ‚Liebe Renate, sei ein gutes Kind.‘ ‚Sie wird heiraten‘, habe ich zur Mutter gesagt. ‚Soso‘, hat da die Frau geantwortet und mir wieder erlaubt, näher ans Beet zu treten, da sie den schlafenden Mann selber streng mustern wollte. ‚Er sollte für dich sein‘, hat Mutter gesagt, ‚denn du bist die Erstgeborene! Nimm ihn ihr weg!‘ ‚Nein‘, habe ich unbeugbar gesagt. ‚Ich will Marie.‘ Und hier bist du, Marie“, hauchte ich.
    Marie stöhnte, mehr brachte sie nicht heraus, wegen der Socke im Maul. Nach dieser Tirade brauchte ich eine Pause.
    Das französische Haus war aus kaltem Stein. Die Wände strahlten die Kälte aus. Das Holz im Ofen glühte nur schwach. Ich stand auf, ging zum Holzstoß, nahm ein Scheit und legte nach. Rieb mir die Hände. Ich kramte in meiner Tasche nach der Feder, die ich dem Taubenflügel ausgerissen hatte. Ich suchte Tinte, öffnete die Laden des Schreibtischs. Keine Tinte. Ich fasste den Entschluss, den Rest meiner Geschichte in Rot zu schreiben. Ich nahm das Messer und schritt ins Nebenzimmer. Dummerweise hatte ich Maries Hände so gefesselt, dass ich nicht an die Pulsadern herankam. Hätte ich die Fesseln aufgeschnitten, wäre es zu Kampfhandlungen gekommen.
    Ich ging zurück in Pauls Arbeitszimmer, entnahm dem Bücherregal ein medizinisches Buch und schlug nach, wo die am stärksten durchbluteten Zonen des weiblichen Körpers aufzufinden waren. Mein Blick schweifte über Maries gefesselten Körper. Ich erkannte meine Grausamkeit an. Doch zwang mich nun das Medizinbuch, ihre erogenen Zonen ausfindig zu machen. Hier sprudelte das Blut. Wusste ich, was ich tat? Ich weiß es nicht. Ich musste konsequent sein, das bedeutete, meine Schwester zu beschneiden und damit für Paul unschändbar zu machen.
    Der Kampf dauerte nicht lange. Maries Hose war rasch zerschnitten. Das Skalpell glitt durch den Lustpunkt. Die Farbe der Liebe ist Rot. Ich schloss die Tür zu Maries Folterbank, auf der sie nun mit gespreizten Beinen lag, weil ich eine Nackenrolle zwischen die Knie gestemmt hatte.
    Mein Magen knurrte. Ich suchte die Küche. Ich zitterte der Genugtuung entgegen. Die Lust auf Rache war gestillt und legte sich in mir. Nun war endlich Ruhe. Ich riss mir ein Päckchen Nudeln auf und stellte Wasser auf den Herd. Dann riss ich ein Streichholz an und führte die Flamme in die Nähe des ausströmenden Gases. Die Flamme erlosch, noch bevor sie das Gas erreichte, und ich wiederholte den Vorgang. Als die Zündholzschachtel leer war, stand ich auf und ging zu Marie.
    Sie war ohnmächtig. Ich spritzte ihr Wasser ins Gesicht. Als sie zu sich kam, fragte ich sie, wie das mit dem Gas funktioniere und ob sie Binden im Hause habe. Dann sank sie wieder in Ohnmacht.
    In der Küche kroch weißer Dunst aus dem Topf. Es roch nach Waffeln, obwohl ich nur Nudeln in Salzwasser kochte. Ich schnitt Fleischtomaten in Scheiben, briet gehackte Zwiebeln und löschte sie mit Wein, bevor ich die Fleischtomaten hineinlegte und mit Kräutern bestreute. Dann durchsuchte ich den Kühlschrank nach weiteren Zutaten. Das Mobiltelefon quakte. Es lag auf dem Küchentisch. Ich schnappte den Apparat und warf ihn an die Wand. Das Ding zerlegte sich noch im Aufprall. Hunde bellten. In den Nachbarhäusern brannte Licht.
    Ich wechselte Maries Binden. Sie blutete noch stark. Ich fragte sie, ob sie Hunger habe. Mit dem Knebel im Mund konnte sie nicht antworten. Da fiel mir ein, dass in afrikanischen Ländern, wo Frauen mit Glasscherben beschnitten wurden, sicher nicht so sauber gearbeitet wurde wie hier. Marie winselte. Das ertrug ich nicht. In der Küche aß ich mich satt. Dann war mir nach frischer Luft und ich zog Maries Mantel über.
    Marie war leichenblass. Sie würde den Schrecken überleben, den ich ihr bereitet hatte. Aber vergessen würde sie mich nie. Ließ ich sie am Leben, würde sie mich suchen. Sie würde meine Vergewaltigung nicht ungesühnt lassen. Ich dachte an daheim. Meine Wohnung, mein Leben. Dass Marie mich ins

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