Schwestern der Dunkelheit
die Hand unter den Arm eines sehr großen Jungen mit schulterlangem blondem Haar geschoben, der aussah, als trainiere er vier oder fünf Stunden am Tag. »Wie auch immer, willst du tanzen?«
Kevin sah den blonden Jungen mit dem steinharten Grübchen im Kinn an, der seinen Blick leidenschaftslos erwiderte.
»Achte nicht auf Sergio«, sagte Blaise. »Er hat mir nur Gesellschaft geleistet. Willst du nicht tanzen?«
»Hm, doch, natürlich will ich ...«
Als Blaise sich von Sergio löste, beugte Thea sich vor. »Du solltest besser nichts allzu Auffälliges tun«, zischte sie ihrer Cousine ins Ohr. »Es hat bereits eine Rauferei gegeben.«
Blaise warf ihr nur einen amüsierten Blick zu und griff pach Kevins Arm. Die meisten der Jungen folgten ihr, und nachdem sich die Menge zerstreut hatte, sah Thea Dani an einem kleinen Tisch sitzen. Sie trug ein funkelndes goldenes Kleid, und sie war allein.
»Setzen wir uns doch«, schlug Erik vor, bevor Thea auch nur ein Wort herausbringen konnte. Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu.
»Wo ist John?«, fragte Thea, während sie Stühle an den Tisch zogen.
Dani deutete mit dem Kopf auf die Horde um Blaise.
»Aber es macht mir nichts aus«, sagte sie und nippte philosophisch an einem Becher mit Punsch. »Er war irgendwie langweilig. Und ich kenne mich mit dieser ganzen Tanzerei sowieso nicht aus.«
Thea wusste, dass sie auf die Tänze des Zirkels anspielte, die ganz anders waren als die der Menschen. Man tanzte nicht paarweise, sondern mit allen, die sich harmonisch aufeinander abgestimmt auf der Tanzfläche befanden. Ein einziges großes, miteinander verbundenes Ganzes.
Erik erbot sich, noch mehr Punsch zu holen.
»Wie läuft’s mit ihm?«, erkundigte Dani sich mit leiser Stimme, als er fort war. In ihren samtenen dunklen Augen stand ein neugieriger, forschender Ausdruck.
»Bisher ist alles okay«, antwortete Thea ausweichend. Dann schaute sie zur Tanzfläche hinüber. »Wie ich sehe, sind Viv und Selene auch da.«
»Ja. Ich denke, Vivienne hat ihr Blut bereits. Sie hat Tyrone mit ihrer Miedernadel gestochen.«
»Wie raffiniert«, erwiderte Thea. Vivienne trug ein schwarzes Kleid, das ihr Haar aussehen ließ wie Flammen, und Selene war in Dunkelviolett gekleidet, das ihr helles Blond vorteilhaft zur Geltung brachte. Sie schienen sich beide blendend zu amüsieren.
Dani gähnte. »Ich denke, ich werde wahrscheinlich früh nach Hause gehen ...«, begann sie, dann brach sie ab.
Am anderen Ende des Raumes, vor dem Haupteingang, war irgendetwas passiert. Irgendein Gewühl oder Handgemenge. Zuerst dachte Thea, es sei nur ein weiterer kleinerer Aufruhr wegen Blaise - aber dann taumelte eine Gestalt unter den Lichtern der Tanzfläche hervor.
»Ich will es wissen«, sagte die Stimme in seltsam dissonanten Tönen, die sich über die Musik erhoben. »Ich wollte es wissen.«
Die Band hörte auf zu spielen. Alle drehten sich nach der Gestalt um - wegen der Stimme. Sie war so offensichtlich unnormal, dass sie selbst für jemanden, der betrunken war, furchtbar falsch klang. Gestört.
Thea stand auf.
»Ich will es wissen«, wiederholte die Gestalt und klang dabei ebenso verloren wie reizbar. Dann drehte sie sich um, und Thea lief ein eisiger Schauder über den Rücken.
Die Person trug eine Halloween-Maske.
Eine Football-Kinderplastikmaske. Ganz nett für einen Halloween-Ball. Aber auf einem Ehemaligenball wirkte sie grotesk.
Oh, Eileithyia , dachte Thea.
»Kannst du es mir sagen?«, fragte die Gestalt ein relativ kleines Mädchen in schwarzen Rüschen. Sie wich zurück und streckte die Hand nach ihrem Tanzpartner aus.
Mr Adkins, Theas Physiklehrer, kam mit wehender Krawatte herangestürmt. Keiner der anderen Aufsichtspersonen schien in der Nähe zu sein - wahrscheinlich mussten sie bereits irgendwo anders Streitigkeiten wegen Blaise unter Kontrolle bringen, dachte Thea.
»Okay, ganz ruhig, ganz ruhig«, sagte Mr Adkins und wedelte dabei mit der Hand wie vor einer ungezogenen Klasse. »Nur keine Aufregung ...«
Der Typ mit der Halloween-Maske zog etwas aus seinem Jackett. Es glitzerte wie ein Regenbogen unter den farbigen Disco-Lichtern.
»Ein Rasiermesser«, murmelte Dani mit gedämpfter Stimme. »Königin Isis, wo hat er das her?«
Etwas an der Waffe - vielleicht die Tatsache, dass sie so unheimlich war, so altmodisch - machte sie beängstigender als ein gewöhnliches Messer. Thea dachte daran, wie selbst ein
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